Frau Eff… und die paradoxe Intervention

Frau Eff, Berufsbetreuerin… und die paradoxe Intervention

“Herzlich Willkommen an der Grenze der Belastbarkeit. Was hat Sie hergeführt?” sagt eine Stimme aus dem All, als ich gerade mal wieder vor Verzweiflung in den Schreibtisch beiße. „Was mich hier hergeführt hat? Die Schwachköppe von der Krankenkasse und Frau G., die ständig nach mehr Geld fragt und Herr A., der jetzt gar keinen mehr in seine Wohnung lässt und mein Drucker, der graue Streifen druckt und Familie Ö., deren Katze heute sieben Junge geworfen hat. Das reicht doch wohl!“ schreie ich in Richtung Himmel. Interessiert da oben aber keinen. Auch die göttliche Alltagsbegleitung ist im Grunde nicht mehr als eine anonyme Bandansage. Also muss ich mir wieder selbst helfen, indem ich zu einem bewährten Mittel greife: Paradoxe Intervention.

Diese sehr schöne psychotherapeutische Methode aus den 70er Jahren hat bisher immer zuverlässig geholfen, die Dinge mit Humor zu sehen und meine Verärgerung zu reduzieren, auch wenn die Durchführung manchmal recht mühsam ist. Eine Form der Paradoxen Intervention ist zum Beispiel die Symptomverschreibung. Dabei wird das problematische Verhalten gefördert, um allen Beteiligten die Problematik vor Augen zu führen.

Nehmen wir die AOK. Deren Sachbearbeiter schickt mir die Zuzahlungsquittungen der Apotheke von Frau K. zurück, weil deren Name nicht auf allen drei Sammelbelegen zu lesen ist. Frohen Mutes gehe ich zur Apotheke und schildere das Problem. Der Apotheker kennt Frau K. und zaubert aus seinem Drucker wie von mir gewünscht insgesamt 43 Einzelquittungen, jeweils mit Namen natürlich. Weil er die Methode direkt durchschaut, findet er lachend auch noch einige umfangreiche Fachinformationen der Pharmafirmen über die jeweiligen Medikamente, die wir gemeinsam an die Quittungen tackern. Über die Gesamtsumme von 186,30 Euro haben wir einen ansehnlichen Berg Papier produziert. Damit gehe ich zum Servicecenter der AOK, allerdings nicht ohne vorher noch in Ruhe ein Eis gegessen zu haben. Dort überreiche ich dem Sachbearbeiter den Papierstapel, den ich vorher noch einmal tüchtig zerknittert habe. Als er gerade die Hälfte der Einzelsummen addiert hat, reiße ich einen Teil der Unterlagen wieder an mich, um mit einem Leuchtmarker den Namen meiner Betreuten hervorzuheben, damit auch bloß nichts durcheinander gerät. Ich entschuldige mich zudem fortwährend für die Umstände, die ich mache und versichere dem Sachbearbeiter, dass er es ja auch nicht leicht habe in seinem Job. Als er mir die Zuzahlungsbefreiung endlich aushändigt, verlasse ich das AOK-Gebäude mit einer guten Laune, die noch Stunden anhält.

Auch bei Frau G., die mich sonst fast jeden Tag anruft, um zusätzliches Geld für tausend Dinge zu erfragen, hat die Paradoxe Intervention geholfen. Unsere Gespräche laufen immer darauf hinaus, dass ich ihr Wochenbudget kürzen müsste, um ihre zusätzlichen Wünsche finanzieren zu können. Ihre Anrufe nerven, weil sie beharrlich meine Zeit einfordert und alle Argumente am nächsten Tag vergessen hat. Seit ein paar Tagen rufe ich sie an und schlage ihr Neuanschaffungen vor: Ein neuer Einkaufstrolley, ein Bademantel, neue Fingernägel, ein Abo für eine Fernsehzeitschrift – mir fällt immer etwas Tolles ein. Frau G. war heute beim vierten Anruf schon etwas angefressen, ist aber sofort auf ihr Wochenbudget zu sprechen gekommen. Für die neuen Fingernägel müsste sie ja sechs Wochen lang auf fünf Euro pro Woche verzichten, rechnet sie mir eilfertig vor. Das ginge keinesfalls. Ich denke, in drei Tagen habe ich sie so weit, dass sie mich in den nächsten Monaten mit Anrufen verschont.