Bundesteilhabegesetz

Auswirkungen für Berufsbetreuer

  1. Systematik, Einordnung und ZuständigkeitenDas Gesetz zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderung (Bundesteilhabengesetz – BTHG) ist eine unmittelbare Reaktion des Gesetzgebers auf die UN-Behindertenrechtskonvention. Dieser Zusammenhang, der bereits im Titel des Gesetzes zum Ausdruck kommt, ist bei der Auslegung der einzelnen Paragraphen des BTHG zu beachten. Das BTHG ist also zunächst einmal Behindertenrecht und Sozialrecht aber kein Betreuungsrecht im engeren Sinne. Nicht sämtliche Bestimmungen betreffen Berufsbetreuer und haben Auswirkungen auf ihre tägliche Arbeit. Dies folgt zum einen schon daraus, dass die Gruppe derjenigen Menschen mit einer Behinderung, die zugleich rechtlich betreut werden, vergleichsweise klein ist. Zum anderen stehen nicht sämtlichen rechtlich betreuten Personen Ansprüche zu, die sich aus dem Bundesteilhabegesetz ergeben

und wollen einige Betreute diese Leistungen gar nicht in Anspruch nehmen. Wer seinen Willen frei äußern kann und eine Teilhabe nicht möchte, macht von seinem Selbstbestimmungsrecht gebrauch. Auch das gehört zur Selbstbestimmung, die durch das BTHG gerade gestärkt werden soll.

Die Regelungen des Bundesteilhabegesetzes treten zu unterschiedlichen Zeitpunkten in Kraft und sind teilweise bereits in den vergangenen Jahren in Kraft getreten. Sie befinden sich in verschiedenen Gesetzbüchern1. Es existiert folglich nicht das eine Bundesteilhabegesetz, das man als Gesetzbuch kaufen kann; wie beispielsweise das Bürgerliche Gesetzbuch oder die Sozialgesetzbücher. Die für Berufsbetreuer wesentlichen Änderungen befinden sich in den Sozialgesetzbüchern.

Am 01.01.2020 tritt die dritte Reformstufe des Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe von Menschen mit Behinderung in Kraft. Kern dieses Gesetzes ist die Herauslösung der Eingliederungshilfe aus dem Sozialhilferecht (§§ 53 – 60 SGB XII) und deren Neuregelung im Sozialgesetzbuch IX (Teil 2: §§ 90 – 150 SGB IX) . Soweit rechtlich betreuten Menschen Eingliederungshilfe bereits gewährt wird oder dies zukünftig in Betracht kommt, ergeben sich selbstverständlich einige wichtige Änderungen für die rechtliche Betreuung, die in diesem und den folgenden Beiträgen in wesentlichen Zügen dargestellt werden. Dabei dürften nach unserer Einschätzung insbesondere die allgemeinen Vorschriften und innerhalb der Eingliederungshilfe die Leistungen zur sozialen Teilhabe sowie das Gesamtplanverfahren (§§ 113- 122 SGB IX) Auswirkungen auf die Tätigkeit rechtlicher Betreuer haben. Allerdings soll auch kurz auf die Auswirkungen des Gesetzes auf die Teilhabe am Arbeitsleben eingegangen werden, soweit diese durch anerkannte Werkstätten für behinderte Menschen erbracht werden.

Grundsätzlich gilt in diesem Zusammenhang wie immer im Betreuungsrecht: Soweit die betreute Person ihre Rechte selbst wahrnehmen kann, soll sie dabei unterstützt werden, dies zu tun. Außerdem sind selbstverständlich weitehrhin Wunsch und Wille Leitschnur professionellen Betreuerhandelns. Das Ausmaß der allseits befürchteten Mehrarbeit für rechtliche Betreuer richtet sich demnach auch nach den Wünschen des Betreuten und der Behinderung, die Anlass für die Anordnung der rechtlichen Betreuung ist. Dabei werden rechtliche Betreuer weiterhin die einzigen wirklichen Interessenvertreter der betreuten Personen sein. Denn der Gesetzgeber hat die Interessenvertretung im Einzelfall bei der Geltendmachung der Ansprüche der behinderten Person nicht geregelt. Diese Interessenvertretung und nicht eine „gute Zusammenarbeit“ – was man auch immer darunter versteht – mit den Leistungserbringern und den Trägern der Eingliederungshilfe ist Ausgangspunkt professionellen Betreuerhandelns.

Abschließend soll in diesem Beitrag die Zuständigkeit (Träger der Eingliederungshilfe) dargestellt werden. Diese Zuständigkeit ist von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich und nach unserem Kenntnisstand wie folgt geregelt:

  • Nordrhein-Westfalen: Landschaftsverbände Rheinland bzw. Westfalen-Lippe
  • Bayern: Bezirke
  • Niedersachsen: Land als überörtlicher Träger der EGH (Heranziehung der Landkreise und kreisfreien Städte möglich)
  • Baden-Württemberg: Städte und Landkreise (Delegation an die Gemeinden möglich)
  • Hessen: Landeswohlfahrtsverband Hessen / Ausnahme: Kreisfreie Städte und Landkreise bei Erstantrag nach Erreichen der Regelaltersgrenze (i.d.R. 65) oder über dreimonatiger Unterbrechung
  • Thüringen: Landkreise und kreisfreie Städte
  • Schleswig-Holstein: Kreise und kreisfreie Städte
  • Sachsen: Kommunaler Sozialverband Sachsen (KSV): Soziale Teilhabe in vollstationäre Einrichtungen, in weitern besonderen Wohnformen und Tageseinrichtungen / Teilhabe am Arbeitsleben im übrigen: Landkreise und Kreisfreie Städte
  • Rheinland-Pfalz: Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung
  • Berlin: Teilhabefachdienste der Ämter für Soziales bei den Bezirksämtern
  • Brandenburg: Landkreise und kreisfreie Städte
  • Hamburg: Freie Hansestadt Hamburg (Dienststelle wohl noch unklar)
  • Bremen: Stadtgemeinden Bremen und Bremerhaven
  • Sachsen-Anhalt: Land als Träger der EGH (Heranziehung der Landkreise und kreisfreien Städte möglich)
  • Mecklenburg-Vorp.: Landkreise und kreisfreie Städte
  • Saarland: Landesamt für Soziales

1 Bundesgesetzblatt 2016, Seiten 3234-3340. Von den 107 Seiten des Gesetzes befinden sich die zentralen Bestimmungen, die ab dem 01.01.2020 in Kraft treten auf gerade einmal 15 Seiten; nämlich den Seiten 3265-3380