Handlungsempfehlungen des BVfB in Zeiten des Coronavirus

Die Ausbreitung des neuartigen Coronavirus in Deutschland und die daraufhin eingeleiteten Maßnahmen haben Auswirkungen auf die Alltagsgestaltung und das Berufsleben. Soweit sich die Maßnahmen auf die Berufsausübung rechtlicher Betreuer auswirken, möchten wir einige aus unserer Sicht wesentliche Aspekte zusammenfassen. Uns ist bewusst, dass es sich hierbei nur um eine Auswahl von Problemen handelt. Sollten wir Hinweise auf weitere grundsätzliche und berufsspezifische Fragestellungen erhalten, werden wir darauf reagieren. Soweit sich für Berufsbetreuer einzelfallbezogene Rechtsfragen ergeben, können diese – je nach Komplexität – ggf. im Rahmen der anwaltlichen Erstberatung beantwortet werden.

Allgemeine Fragen zum Thema werden u.a. auf der Homepage des Robert-Koch-Institutes beantwortet.

I. Persönlicher Kontakt

Rechtliche Betreuer sind zum persönlichen Kontakt zu den von ihnen betreuten Menschen verpflichtet. Darüber hinaus sind wichtige Angelegenheiten mit den Betreuten zu besprechen. Vorgaben zur Kontakthäufigkeit hat der Gesetzgeber nicht gemacht. Rechtlichen Beteuern steht daher in dem vom Gesetzgeber vorgegebenen Rahmen ein Ermessen zu, in welchem Umfang sie den persönlichen Kontakt zu den Betreuten eingehen. Einigkeit besteht darüber, dass die Besprechungspflicht nicht besteht, wenn dies dem Wohl – insbesondere der Gesundheit – des Betreuten schadet.

Angesichts dieser Regelungen und vor dem Hintergrund der aktuellen Situation gehen wir davon aus, dass derzeit der persönliche Kontakt von Betreuern zu den betreuten Personen auf ein Minimum beschränkt werden sollte. Wir halten dies vor allem zum Schutz der betreuten Menschen für erforderlich, da diese besonders häufig altersbedingt oder wegen einer Vorerkrankung zu dem vom Robert-Koch-Institut genannten Personenkreis mit einem höheren Risiko für einen schweren COVID-19-Krankheitsverlauf gehören. Vorrangig sollten schriftliche und telefonische Kontaktmöglichkeiten genutzt werden. Die Geldübergabe kann in der Regel ohne einen persönlichen Kontakt organisiert werden. Die Besprechung wichtiger Angelegenheiten sollte nach Möglichkeit verschoben werden. Soweit erforderlich, kann gegen Bescheide zunächst fristwahrend Widerspruch eingelegt werden, wenn vor Fristablauf eine Besprechung nicht möglich ist.

Sollte ein persönlicher Kontakt unumgänglich sein, empfehlen wir die Beachtung der Hygienemaßnahmen des Robert-Koch-Institutes für nicht-medizinische Einsatzkräfte (vgl. Anlage). Diese sollten auch bei einem persönlichen Kontakt zu betreuten Personen, die keiner der oben genannten Risikogruppe angehören (Bsp.: Junge betreute Personen mit psychischen Erkrankungen) eingehalten werden.

Letztlich obliegt es jedem Betreuer und jeder Betreuerin eigenverantwortlich, einzelfallbezogen und möglichst im Einverständnis mit der betreuten Person zu entscheiden, wie der persönliche Kontakt ausgestaltet werden soll.

II. Gesundheitssorge

Rechtliche Betreuung beinhaltet keine pflegenden und versorgenden Tätigkeiten. Allerdings kann sich im Einzelfall die Frage stellen, ob bei einer Atemwegserkrankung die betreute Person veranlasst werden sollte, sich auf das Virus testen zu lassen. Hierzu verweisen wir zunächst erneut auf die Empfehlungen des Robert-Koch-Institutes (Antworten auf häufig gestellte Frage zum Coronavirus SARS-COV-2).

Vorrangig sind hier zunächst die pflegenden Einrichtungen und behandelnden Ärzte aufgefordert, rechtliche Betreuer auf eine entsprechende Symptomatik hinzuweisen, wenn der persönliche Kontakt eingeschränkt worden ist. Dies dürfte vor allem dann erforderlich sein, wenn die betreute Person einwilligungsunfähig ist, da der Test nach unserem Kenntnisstand einen ärztlichen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit darstellt.

Sollte in Ausnahmefällen (keine stationäre oder ambulante Pflege / keine Maßnahme der Eingliederungshilfe) die betreute Person keinen Kontakt zu Pflegepersonal, Sozialarbeitern oder Ärzten haben, sollten rechtliche Betreuer in Erfahrung bringen, ob ein Test veranlasst werden sollte.

Abschließend weisen wir darauf hin, dass sich der Rehabilitationsauftrag (§ 1901 Abs. 4 BGB) nur auf die Erkrankung / Behinderung bezieht, die der Betreuung zugrunde liegt. Im Falle einer Infizierung mit dem neuartigen Coronavirus ergeben sich folglich keine Verpflichtungen aus    § 1901 Abs. 4 BGB.

III. Infektionsschutzgesetz

1. Einhaltung von Maßnahmen zur Verhütung übertragbarer Krankheiten

Nach § 16 Abs. 5 IfSG sind rechtliche Betreuer verpflichtet, für die Erfüllung von Verpflichtungen zu sorgen, die sich aus behördlich angeordneten Maßnahmen zur Verhütung übertragbarer Krankheiten ergeben, wenn ihnen die Personensorge übertragen worden ist und die betreute Person geschäftsunfähig oder beschränkt geschäftsfähig ist. Diese „Überwachungspflicht“ ist folglich von vornherein auf einen bestimmten Kreis rechtlich betreuter Personen beschränkt und setzt voraus, dass dem rechtlichen Betreuer die Personensorge übertragen worden ist. Sie gilt auch für behördlich angeordnete Schutzmaßnahmen im Sinne des § 28 IfSG; also insbesondere die Anordnung einer Absonderung (Quarantäne) der betreuten Person.

Dem Bundesverband freier Berufsbetreuer ist bislang noch kein Fall bekannt geworden, bei dem die Regelung zur Anwendung gekommen ist. Daher können wir derzeit auch nicht einschätzen, auf welche Maßnahmen sich diese Pflicht bezieht. Für den Fall, dass Quarantänemaßnahmen gegen mehrere, geschäftsunfähige Betreute angeordnet worden sein sollten, sehen wir allerdings nur sehr eingeschränkte Möglichkeiten für rechtliche Betreuer, auf die Erfüllung der angeordneten Maßnahmen hinzuwirken.

Auf jeden Fall besteht gegenüber den Behörden eine Auskunftspflicht und sind angeforderte Unterlagen auszuhändigen, die sich im Besitz von Betreuern befinden. Dass durch einen rechtlichen Betreuer der Zugang zur Wohnung einer betreuten Person ermöglicht werden muss, dürfte in der Praxis kaum vorkommen; es sei denn, einem Betreuer ist der Wohnungsschlüssel von dem Betreuten ausgehändigt worden. Verstöße gegen die sich aus § 16 Abs. 2 IfSG ergebenden Pflichten können ein Bußgeld zur Folge haben (vgl. § 73 IfSG).

Sollte Betreuern das Aufenthaltsbestimmungsrecht mit der Befugnis zur Unterbringung übertragen worden sein, ließe sich zwar grundsätzlich an die Anordnung einer Unterbringung denken, jedoch weisen wir auf die Regelung in § 30 Abs. 2 IfSG hin, nach der sich die zwangsweise Unterbringung einer Person, die gegen Quarantänemaßnahmen verstößt, nach dem 7. Buch des FamFG richtet (Verfahren in Freiheitsentziehungssachen). An diesem Verfahren können rechtliche Betreuer allenfalls als Vertrauensperson beteiligt werden (§ 418 Abs. 3 Nr. 2 FamFG). Soweit Anlass dazu besteht, sind Rechtsbehelfe gegen die Maßnahmen zu einzulegen und die Rechte der betreuten Person zu vertreten und durchzusetzen.

2. Meldepflichten, Mitwirkungs- und Mitteilungspflicht

Die im Infektionsschutzgesetz geregelten Meldepflichten gelten nicht für rechtliche Betreuer. Eine Mitteilungs- und Mitwirkungspflicht ergibt sich aus § 34 Abs. 4 und 5 IfSG. Die Regelung bezieht sich jedoch nur auf bestimmte abschließend aufgezählte Erkrankungen und hat keine Auswirkungen auf eine Infektion mit dem neuartigen Coronavirus.

 

IV. Rechtliche Betreuung als kritische Dienstleitung

Auf Grund der Weisungen der meisten Landesgesundheitsminister dürfen Schulen und Kindertageseinrichtungen derzeit nicht betreten werden (Betretungsverbot). Ausnahmeregelungen gelten für Kinder, deren Eltern in kritischen Infrastrukturen tätig sind. Hierzu zähen nach der Verordnung zur Bestimmung kritischer Infrastrukturen auch Dienstleitungen zur Versorgung der Allgemeinheit in bestimmten Sektoren. Für rechtliche Betreuer könnte man in Erwägung ziehen, dass sie den kritischen Dienstleistungen in den Sektoren Gesundheit oder Finanzen (Bargeldversorgung) zuzurechnen sind. Jedoch sind rechtliche Betreuer nicht für die medizinische Versorgung zuständig und bezieht sich die Versorgung mit Bargeld nicht auf die Allgemeinheit, sondern auf den Einzelfall.

Nach derzeitiger Rechtslage gehen wir davon aus, dass eine Ausnahme von den Betretungsverboten nicht besteht und sich rechtliche Betreuer die Kinderbetreuung selbst organisieren müssen. Allerdings sind wir der Ansicht, dass der Gesetzgeber die Aufgaben rechtlicher Betreuer bei Erlass der Verordnung übersehen hat und raten deshalb dazu, auf einer Entscheidung durch die Schulleitung bzw. die Leitung der Kindertageseinrichtung zu bestehen und diese ggf. anzufechten, wenn die Kinderbetreuung und die Berufsausübung sich nicht anderweitig organisieren lassen.

V. Arbeitnehmer

Das Problem der Kinderbetreuung betrifft auch Angestellte, die in Betreuungsbüros arbeiten. Auch wenn Arbeitnehmer in der Regel keinen Anspruch auf bezahlten Sonderurlaub haben, sollte jeder Arbeitgeber wohlwollend prüfen, ob eine unbürokratische und zufriedenstellende Lösung mit den Arbeitnehmern gefunden werden kann. Insbesondere sollte die Möglichkeit geprüft, ob und in welchem Umfang Arbeitnehmer zuhause (Home-Office-Lösung) arbeiten können.

Hygienehinweise des Robert-Koch-Institut