Letzte Chance für die Vergütungserhöhung für rechtliche Betreuer vertan?

Kassel, 24.10.2017
Das Kasseler Forum der Verbände des Betreuungswesens fordert den Bundesrat auf, am 3. November der Neuregelung des Beistandsrechts für Ehegatten in Gesundheitsfragen und der Vergütungserhöhung bei rechtlicher Betreuung um 15 % zuzustimmen!

Hintergrund: Für über 1,2 Millionen Menschen ist in Deutschland ein rechtlicher Betreuer bestellt, weil diese Menschen aus gesundheitlichen Gründen eine Unterstützung bei Entscheidungen brauchen. „Etwa die Hälfte von ihnen wird von Familienangehörigen betreut“, sagte der Vorsitzende des Betreuungsgerichtstages, Peter Winterstein, in Schwerin. Um die anderen kümmern sich gerichtlich bestellte freiberufliche Betreuer oder Betreuungsvereine mit angestellten oder ehrenamtlichen Mitarbeitern. Die Existenz der mehr als 800 Vereine bundesweit sieht der Betreuungsgerichtstag gefährdet. Lässt der Bundesrat die letzte Chance verstreichen?

Im Bundesrat besteht am 3. November eine allerletzte Chance, das Gesetz zur Beistandschaft von Ehegatten in Fragen der Gesundheitssorge und zur Vergütungserhöhung der Berufsbetreuer zu beschließen.

Anders als viele Ehepartner glauben, haben sie kein gesetzliches Vertretungsrecht in Gesundheitsfragen. Dies soll nun ausdrücklich geregelt werden, um damit gerichtliche Betreuerbestellungen in Eilfällen überflüssig zu machen.

Im Gesetz soll aber auch eine Vergütungserhöhung für berufliche Betreuer um 15 % geregelt werden. Die Vergütung der Betreuung ist seit 2005 unverändert geblieben. Winterstein: „Die Betreuungsvereine müssen aber laut Tarif inzwischen ihren Angestellten 29 % mehr bezahlen.“ Derzeit machen Winterstein zufolge Vereine mit jeder Betreuung Verluste. „Den Daten im Zwischenbericht einer Studie im Auftrag des BMJV ist zu entnehmen, dass das System der rechtlichen Betreuung zu 40 % unterfinanziert ist. Wie soll das weiter funktionieren?“

In diesem Zusammenhang haben alle Parteien des bayerischen Landtags die Landesregierung aufgefordert, dem Gesetz zuzustimmen, das der Bundestag bereits im Mai beschlossen hat. Dessen Behandlung ist im Bundesrat bisher vertagt wurde. Der bayerische Staatsminister der Justiz, Prof. Bausback, betont, dass er – im Gegensatz zu den übrigen Justizministerkolleginnen und -kollegen für eine Zustimmung der Länder sei. Hat Bayern noch Einfluss?

Im alten Bundestag bestand über Parteigrenzen hinweg Einigkeit hinsichtlich der erhöhten Vergütung. Winterstein: „Auf die Länder kommen mit dem Gesetz höhere Kosten zu. Die Vergütungen sind zu fast 90 % aus den Landesjustizkassen zu bezahlen. Wenn das Gesetz jetzt nicht verabschiedet wird, muss es im neuen Bundestag erneut eingebracht werden.“ Diese zeitliche Verzögerung berge für viele Vereine ein hohes Risiko, weil sie in eine finanzielle Schieflage gerieten. Über 50 Vereine hätten für die Jahre 2017/18 ihre Schließung angekündigt. „Fast 20 Betreuungsvereine haben bereits aufgegeben“, so Winterstein. Mit dem Aus für Vereine gingen für die betreuenden Familienangehörigen Unterstützung und Beratung verloren. Winterstein: „Über zwei Jahrzehnte gewachsene Strukturen bleiben auf der Strecke. Die Qualität ehrenamtlicher und beruflicher Betreuung und damit das Selbstbestimmungsrecht betroffener Menschen ist gefährdet.“

Info:
Der Betreuungsgerichtstag e. V. (BGT) ist ein Fachverband mit dem Ziel, die Freiheits- und
Persönlichkeitsrechte von betreuten Menschen zu stärken und ihre soziale Situation zu verbessern.