Frau Eff… und die Werkstatt für Menschen mit Behinderung

Frau Eff, Berufsbetreuerin… und die Werkstatt für Menschen mit Behinderung

Ich sage es besser sofort am Anfang: Frau Eff ist keine große Freundin von Werkstätten für Menschen mit Behinderung. Grundsätzlich nicht. Natürlich ist es für Viele ein Glück, die Angebote der WfMB nutzen zu können, aber die Autoren der UN-Konvention für die Rechte behinderter Menschen haben glaube ich etwas anderes im Sinn als diese exklusiven Stätten am Stadtrand.
Ich formuliere es mal etwas überspitzt (also nicht gleich aufregen):

Schon die Idee der Werkstätten ist von wenig Inklusion geprägt. Menschen, die in der Arbeitwelt nicht einsetzbar sind, weil sie zu langsam laufen oder denken oder mit den Gedanken ständig woanders sind, werden in großen Gebäuden in Gewerbegebieten tagsüber beaufsichtigt, mit Limo und Mittagessen versorgt und mit leichten Tätigkeiten beschäftigt. Immerhin ist ihre Arbeitskraft noch so weit ausbeutbar, dass ganz normale, profitorientierte Unternehmen sie für das Eintüten von Schrauben oder das Sortieren von Spielfiguren bezahlen. Diese Arbeit wird aber von den jeweiligen Betrieben in die WfMB ausgelagert, so dass sich die „normale“ Bevölkerung nicht mit behinderten Menschen als Angestellte und Kollegen herumschlagen muss.

Was mich an den Werkstätten (wie sie ja meist knapp genannt werden) am meisten stört, ist, dass es dann auch noch oft unnötige Schwierigkeiten gibt: Durch Auswahl bei den Neuaufnahmen und Kündigungen versucht man sich laute, aggressive, unbequeme Behinderte vom Hals zu halten. Gleichzeitig werden die so genannten „Fitten“, also motivierte, kaum behinderte Leistungsträger nicht dabei unterstützt, in den ersten Arbeitsmarkt zu wechseln. Okay, das wird nicht überall so sein, aber in meiner Region ist diese Haltung zunehmend zu beobachten. Zwei Beispiele:

Der 24-jährige Rüdiger G., mittelgradig geistig behindert, ist mit 17 Jahren direkt von der Förderschule in die Werkstatt für Menschen mit Behinderung gekommen. Trotz guter Noten hat sich niemand die Mühe gemacht, eine Alternative auf dem freien Arbeitsmarkt zu suchen. In sieben Jahren Werkstattzugehörigkeit hat sich Herr G. auf einen Außenarbeitsplatz in der Gartengruppe hochgedient. Dort arbeitet er selbstständig, er ist zuverlässig und immer gut gelaunt. Herr G. fährt den Hochsitzmäher fast blind, pflegt Wege und Beete mit Präzision und hält inzwischen die Grünanlage um die Werkstatt herum alleine in Ordnung. Ich schlage daher Herrn G. vor, nach einem Arbeitsplatz auf dem ersten Arbeitsmarkt Ausschau zu halten und spreche dies in Anwesenheit des Werkstattleiters an. Herr G. strahlt stolz und hoffnungsfroh, der Chef ist entsetzt:
„Aber doch nicht der Rüdiger! Der hält das doch nie durch! Wenn den einer schief anguckt, klappt der zusammen, so schüchtern wie der ist. Wissen Sie, was in so einem normalen Betrieb für ein Ton herrscht? Nee, damit wäre unser Rüdiger hoff-nungs-los überfordert“. Herr G. steht mit vor Entsetzen geweiteten Augen daneben und will natürlich nach dieser Aussage auf gar keinen Fall mehr ins wirkliche Arbeitsleben wechseln.

Der 28-jährige Ingo K. hingegen hat andere Schwierigkeiten mit der Werkstatt. Der vorlaute Herr K. ist nicht auf den Mund gefallen, dafür aber mal von einem Hausdach. Das hat ihm einen Hirnschaden und eine 80-prozentige Behinderung eingebracht. Er ist ein neuer Betreuungsfall und ich stelle für ihn einen Antrag auf Teilhabe am Arbeitsleben. Die Werkstatt für psychisch kranke Menschen hat er besichtigt, er findet das alles toll und interessant. Der ärztliche Gutachter und der Reha-Berater der Agentur für Arbeit sind auch dafür, dass Herr K. einen Platz in der Werkstatt bekommt. Vorher soll er aber ein zweiwöchiges Praktikum machen. Er freut sich auf den ersten Tag, begrüßt alle freundlich und hat viel Freude an seiner ersten Tätigkeit in der Elektrowerkstatt. Aber er ist es nicht gewohnt, sich länger als eine Stunde zu konzentrieren. Er findet die Stühle zu hart. Er findet die Maschinen zu laut. Und die Pausen zu kurz. Das alles sagt er ohne Scheu, nimmt um halb zwei seine Jacke, sagt er habe Rückenschmerzen und geht nach Hause. Kurze Zusammenfassung der folgenden Gespräche mit Herrn K. und der Werkstatt:
Herr K. würde es gerne noch einmal versuchen, dort zu arbeiten, weiß aber noch nicht, ob er das schafft. Das finde ich normal bei jemandem, der seit sechs Jahren quasi ununterbrochen auf der Couch gelegen und geraucht hat. Die Werkstatt möchte Herrn K. keinesfalls wieder sehen, da er schon im Vorfeld die notwendige Motivation und den Respekt vor dem Gruppenleiter hat vermissen lassen. Dass fehlende Motivation und Respektlosigkeit Teil seiner psychischen Erkrankung sind, interessiert keinen. Das von mir vorgeschlagene Teilzeitpraktikum (erstmal nur vormittags) lehnt die Werkstatt ab. Herr K. sagt: „Dann soll die verfickte Scheißwerkstatt mich doch mal am Arsch lecken“.