Stationäre Reha, wenn es zu wenige ambulante Plätze gibt

Erwerbsfähigkeit gefährdet, wenn psychische Krankheit zu chronifizieren droht

Psychisch kranke Menschen, die wegen der drohenden Chronifizierung ihrer Erkrankung  erheblich in ihrer Erwerbsfähigkeit gefährdet ist, haben einen Anspruch auf Psychotherapie als Leistung der  medizinischen Rehabilitation gegen den Rentenversicherungsträger. Die Therapie ist in stationärer Form als Reha psychisch Kranker (RPK) zu gewähren, wenn die Kapazitäten ambulanter Reha am Wohnort des Betroffenen nicht oder nicht in ausreichendem Maße vorhanden sind und die Gefahr besteht, dass sich der Zustand des Rehabilitanden während der Wartezeit auf einen Therapieplatz verschlechtert.  Mit dieser Entscheidung des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 15.09.2010 (L 1R 163/10 B ER) wurde der Ermessensspielraum der Rentenversicherungsträger bei der Entscheidung über medizinische Reha für psychisch Kranke wesentlich begrenzt.

Bei der Auswahlentscheidung, ob eine ambulante oder eine stationäre medizinische Reha in Betracht kommt, habe der Rentenversicherungsträger zwar Ermessen zu betätigen, müsse aber die RPK-Empfehlungsvereinbarung beachten, so das LSG. Danach kommen ambulante Therapien nur dann in Betracht, wenn der Rehabilitand mobil ist und die Therapieeinrichtung in maximal 60 Minuten erreichen kann.

Die 50 Jahre alte Klägerin arbeitete als Vertriebsassistentin vorwiegend an einem Bildschirmarbeitsplatz. Die Arbeitsstelle kündigte sie aufgrund ihrer familiären und beruflichen Belastungssituation und war ab Ende März 2009 wegen einer endogene Depression und allgemeinem Erschöpfungszustand arbeitsunfähig krankgeschrieben.

Der psychiatrische Gutachter des Rentenversicherungsträgers wies ausdrücklich darauf hin, dass nur bei sofortigem Beginn einer ambulanten oder stationären Therapie eine Chronifizierung der Depression vermieden werden könne. Damit sei die Erwerbsfähigkeit der Betroffenen erheblich gefährdet, auch wegen der während des Verfahrens nicht gegebenen beruflichen Integration. Da zum Entscheidungszeitpunkt in Sachsen-Anhalt nur 24 ambulante RPK-Plätze Therapie am Standort Halle (Saale) zur Verfügung standen, könne nicht von einem flächendeckenden Angebot „wohnortnaher Settings“ ausgegangen werden, so das Gericht.

Die RPK-Empfehlungsvereinbarung vom 29. September 2005 regelt die Zusammenarbeit der Kranken- und der Rentenversicherungsträger sowie der Bundesagentur für Arbeit bei der Gewährung von Leistungen zur Teilhabe in Rehabilitationseinrichtungen für psychisch kranke und behinderte Menschen.