Zum Vergütungsanspruch beruflicher Betreuer ab dem 01.01.2023 für zuvor ehrenamtlich geführte Betreuungen

Beschluss des Landgerichts Lübeck vom 08.12.2023 – 7 T 359/23

I.

Das Landgericht Lübeck hat klargestellt, dass Voraussetzung für einen Vergütungsanspruch von Berufsbetreuern ab dem 01.01.2023 entweder die Registrierung oder die vorläufige Registrierung ist. Letzteres setzt grundsätzlich den Nachweis voraus, dass mindestens eine Betreuung vor dem 01.01.2023 beruflich geführt wurde (§ 32 Abs. 1 Satz 1, Satz 6 BtOG – zur einzigen Ausnahme, um die es im vorliegenden Fall nicht ging vgl. § 33 BtOG).

Eine Betreuerin hatte in dem vorliegenden Fall eine Vergütung ab dem 01.01.2023 für eine bis zum 31.12.2022 ehrenamtlich geführte Betreuung beantragt. Sie vertrat die Auffassung, dass für Berufsbetreuer ab dem 01.01.2023 automatisch ein Vergütungsanspruch auch für zuvor ehrenamtlich geführte Betreuungen entstehe. Zur Begründung berief sie sich auf den Wortlaut des § 19 Abs. 2 BtOG in Verbindung mit § 7 Abs. 1 VBVG. Danach steht Berufsbetreuern eine Vergütung zu, unabhängig davon, ob in dem Beschluss über die Anordnung der Betreuung die Berufsmäßigkeit ausdrücklich festgestellt werde oder nicht.

Dieser Rechtsauffassung widersprach der Bezirksrevisor, der – abweichend vom Wortlaut des § 19 Abs. 2 BtOG – die Auffassung vertrat, dass jedenfalls dann kein Vergütungsanspruch für ehrenamtlich geführte führte Betreuungen bestünde, wenn eine Betreuerin die Bereitschaft zur ehrenamtlichen Übernahme der Betreuung erklärt habe. Außerdem hätte die Auffassung der Betreuerin zur Folge, dass Berufsbetreuer gar keine Betreuung mehr ehrenamtlich führen könnten, selbst wenn sie es wollten. Dies habe der Gesetzgeber mit der Neuregelung jedoch nicht gewollt.

Das Amtsgericht wies den Antrag der Betreuerin zurück. Gegen diese Entscheidung wandte sich die Betreuerin mit ihrer Beschwerde, über die das Landgericht Lübeck zu entscheiden hatte. Das Landgericht folgte der Betreuerin zwar dahingehend, dass es für den Vergütungsanspruch ab dem 01.01.2023 nicht mehr darauf ankäme, ob die „Berufsmäßigkeit“ der Betreuung im Beschluss festgestellt worden ist. Diese Feststellung habe nur noch klarstellende Bedeutung. Dennoch habe ihre Beschwerde keinen Erfolg. Denn trotz Aufforderung hatte die Betreuerin dem Gericht nicht mitgeteilt, ob sie bereits vor dem 01.01.023 wenigstens eine Betreuung beruflich geführt habe. Dies sei aber für einen Vergütungsanspruch, der vor der endgültigen Registrierung geltend gemacht werde grundsätzlich erforderlich, was sich aus dem Wortlaut des § 32 Abs. 1 Satz 6 BtOG in Verbindung mit § 32 Abs. 1 Satz 1 BtOG ergäbe. Wörtlich heißt es in dem Beschluss:

„Die Festsetzung einer Vergütung (…) kann nicht zugunsten der Betreuerin erfolgen, weil nicht festgestellt werden kann, dass sie berufliche Betreuerin ist bzw. als solche gilt. Weder hat die Betreuerin hierzu ausreichende Erklärungen abgegeben, noch ist dieses der Beschwerdekammer gerichtsbekannt. Die Beschwerdekammer muss die von dem Amtsgericht aufgeworfene – grundsätzliche – Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen Berufsbetreuer bei ehrenamtlich geführten Betreuungen eine Vergütung nach den § 7 VBVG in Verbindung mit §§ 19, 32, 33 BtOG erhalten können, ausdrücklich offenlassen, weil sie nicht entscheidungserheblich ist.“

II.

Die Entscheidung des Landgerichts ist einerseits zutreffend, weil die Betreuerin den Sachverhalt über ihre Registrierung bzw. vor dem 01.01.2023 beruflich geführte Betreuungen nicht vollständig vorgetragen hatte und es nicht Sache des Gerichts ist, den Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären. Das Gericht hatte deshalb gar keine andere Wahl, als die Beschwerde zurückzuweisen. Andererseits ist die Entscheidung unbefriedigend, weil sie die wirklich interessierende Frage, nämlich ob Berufsbetreuer für vor dem 01.01.2023 ehrenamtlich geführte Betreuungen eine Vergütung verlangen können, offengelassen hat. Allein die Tatsache, dass das Gericht die Betreuerin aufforderte, hierzu Angaben zu machen, deutet jedoch darauf hin, dass es die Frage für rechtlich bedeutsam hielt; also in Erwägung zog, der Betreuerin einen Vergütungsanspruch für die bislang ehrenamtlich geführte Betreuung zuzubilligen.

Wie die Rechtsfrage letztlich entschieden wird, bleibt abzuwarten. Für einen Vergütungsanspruch könnte neben dem Wortlaut die Gesetzesbegründung sprechen. In der Gesetzesbegründung wird ausdrücklich betont, dass § 7 VBVG für berufliche Betreuer, das heißt für selbständige wie für Vereinsbetreuer, die Anspruchsgrundlage für die Zahlung einer Vergütung darstellt. Diesbezüglich wird gerade nicht danach differenziert, ob die Betreuung ehrenamtlich oder beruflich geführt wird. Gegen diese Rechtsauffassung könnte jedoch ein Grundgedanke des Betreuungsrechts (Vorrang des Ehrenamtes) sprechen. Insbesondere wenn von Berufsbetreuern die Bereitschaft zur ehrenamtlichen Betreuungsführung nach dem 01.01.2023 erklärt wird, ließe sich aus dem Vorrang des Ehrenamtes ableiten, dass ausnahmsweise kein Vergütungsanspruch besteht. Allerdings besteht kein Anlass, dies auch für vor dem 01.01.2023 ehrenamtlich übernommene Betreuungen anzunehmen, da in diesen Fällen die Bereitschaft zur ehrenamtlichen Betreuungsführung der sogenannten „11-Regel“ geschuldet sein dürfte; also dem Ziel, später als Berufsbetreuer „anerkannt zu werden (Stichwort: „Zwang zum Ehrenamt“).

Warum die Betreuerin im vorliegenden Fall auf die Rückfrage des Gerichts nicht reagiert hat, ist nicht bekannt und wäre jedenfalls dann unverständlich, wenn sie – wie von ihr behauptet – bereits vor dem 01.01.2023 Betreuungen beruflich geführt hat.