Das Landgericht Lübeck hat entschieden, dass einem Kontobevollmächtigten keine Beschwerdebefugnis gegen einen Beschluss über die einstweilige Suspendierung seiner Kontovollmacht zusteht.
I.
Für die Ehefrau des Kontobevollmächtigten (Ehemann) wurde eine gesetzliche Betreuung angeordnet. Im Rahmen des Aufgabenbereichs der Vermögenssorge wurde die gesetzliche Betreuerin durch die Sparkasse Holstein darüber in Kenntnis gesetzt, dass der Ehemann größere Geldbeträge von den Konten der Betreuten abgehoben habe. Daraufhin wurde dem Ehemann im Wege der einstweiligen Anordnung durch das Amtsgericht Ahrensburg untersagt, die Bankvollmacht bei dem betreffenden Geldinstitut auszuüben. Zugleich wurde angeordnet, dass er die Vollmachtsurkunde an die Betreuerin herauszugeben habe (vgl. § 1820 Abs. 4 Satz 1 BGB).
Nachfolgend wurden von der Betreuerin alle Bankvollmachten gelöscht. Der Ehemann legte gegen den Beschluss der einstweiligen Suspendierung der Vollmacht Beschwerde ein. Das zuständige Amtsgericht Ahrensburg half der Beschwerde nicht ab und legte diese zur Entscheidung dem Landgericht Lübeck vor. Die Beschwerde wurde als unzulässig abgewiesen, da der Ehemann nach Auffassung des Landgerichts nicht beschwerdebefugt ist. Weder nach § 303 FamFG noch nach § 59 FamFG bestünde eine Beschwerdebefugnis.
II.
Eine Beschwerdebefugnis käme in Betracht, wenn der Ehemann entweder in eigenen Rechten verletzt sein könnte (§ 59 Abs. 1 FamFG) oder stellvertretend als Bevollmächtigter geltend macht, dass die betreute Ehefrau durch die Suspendierung der Vollmacht in ihren Rechten beeinträchtigt wird (§ 303 Abs. 4 BGB).
Eine Beschwerdebefugnis nach § 303 Abs. 4 BGB lehnt das Gericht im Hinblick auf den eindeutigen Wortlaut der Regelung ab, die sich nur auf Vorsorgevollmachten bezieht. Um eine solche Vollmacht gehe es hier aber nicht. Außerdem habe der Ehemann in seiner Beschwerde nicht die Verletzung der Rechte der Betreuten, sondern sinngemäß eher die Verletzung eigener Rechte behauptet.
Eine Verletzung eigener Rechte des Ehemannes lehnt das Gericht unter Verweis auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes ebenfalls ab (vgl. BGH NJW 2015,407 ff.). Für eine Verletzung eigener Rechte müsse geltend gemacht werden, dass dieses Recht durch Gesetz oder durch ein von der Rechtsordnung anerkanntes und von der Staatsgewalt geschütztes Recht verliehen worden sei und nicht auf rechtsgeschäftlichen Beziehungen zwischen Privaten beruht. Da die Vollmacht eine Bevollmächtigung durch die Ehefrau voraussetze, ginge es im vorliegenden Fall nicht um ein vom Gesetz verliehenes Recht, sondern lediglich um ein auf einem Rechtsgeschäft zwischen Privaten beruhendes Recht. Daraus könne sich keine Beschwerdebefugnis ergeben.
Schließlich prüft das Gericht, ob der an dem Verfahren über die Suspendierung der Vollmacht beteiligte Bevollmächtigte als Ehemann bzw. Vertrauensperson im Sinne des § 303 Abs. 2 Nrn. 1, 2 FamFG beschwerdebefugt ist. Auch das lehnt das Gericht ab: Fraglich sei bereits, ob der Ehemann – was § 303 Abs. 2 FamFG voraussetzt – die Beschwerde im Interesse der Betreuten eingelegt habe. Ausschlaggebend für die Ablehnung der Beschwerdebefugnis war jedoch letztlich eine systematische Auslegung des § 303 Abs. 2 FamFG durch das Landgericht:
Das Gericht meint, dass sich aus dem Zusammenhang der Regelungen in den Absätzen 2 und 1 des § 303 FamFG ergibt, dass sich die Beschwerdebefugnis nach Absatz 2 auf bestimmte Arten von betreuungsgerichtlichen Entscheidungen im Sinne des § 303 Abs. 1 FamG beschränke, wie zum Beispiel die Bestellung eines Betreuers, die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts den Umfang, Inhalt oder Bestand einer Betreuung bzw. eines Einwilligungsvorbehalts.
Aufgrund der Unzulässigkeit der Beschwerde hatte das Landgericht Lübeck nicht mehr über die Begründetheit der Beschwerde zu entscheiden. Nach einer vorläufigen Bewertung vertritt das Landgericht jedoch die Auffassung, dass sich die Regelungen in § 1820 Abs. 1 – 5 BGB nur auf Vorsorgevollmachten bezieht; eine Kontovollmacht also nicht vom Betreuungsgericht suspendiert werden könne.
III.
Der Gesetzgeber hat im Zuge der Reform des Betreuungsrechts die Suspendierung von Vollmachten einerseits als zentrales Rechtsinstitut eingeführt, um einem Missbrauch von Vollmachten vorzubeugen; andererseits wollte er dadurch aber auch dem Selbstbestimmungsrecht der Betreuten entsprechen, indem der gravierendere Eingriff in Form eines Widerrufs der Vollmacht erschwert worden ist (vgl. u.a. zur Genehmigungspflicht: § 1820 Abs. 5 BGB). Angesichts dieser Zielsetzung ist es in der Sache nachvollziehbar, dass das Landgericht die Beschwerdebefugnis des bevollmächtigen Ehemannes verneint. Die in Rechtsprechung und Literatur äußerst kontrovers diskutierte Frage, ob die Suspendierung einer Kontovollmacht und sämtlicher anderer Vollmachten, die keine Vorsorgevollmachten sind, nach § 1820 Abs. 4 BGB überhaupt zulässig ist, lässt das Gericht jedoch unbeantwortet. Es wäre wünschenswert, wenn dies möglichst bald höchstrichterlich geklärt würde. Dass in eilbedürftigen Fällen ein Bedürfnis besteht, im Interesse der betreuten Person sämtliche Vollmachten durch das Betreuungsgericht zu suspendieren, steht insbesondere bei einem vorsätzlichen Missbrauch einer Vollmacht außer Frage. Der Wortlaut und die Gesetzesbegründung stehen einer solchen Auslegung nicht entgegen. Denn in der Begründung zu § 1820 BGB heißt es gleich zu Beginn:
„In dem neu gestalteten § 1820 BGB sollen verschiedene Regelungen zu Vorsorgevollmachten, einschließlich der Voraussetzungen für die Bestellung eines Kontrollbetreuers und für einen Widerruf einer Vollmacht, in einer Vorschrift zusammengefasst werden.“
Mit der Formulierung „Widerruf einer Vollmacht“ bringt der Gesetzgeber zum Ausdruck, dass sich die Regelung nicht auf Vorsorgevollmachten beschränken soll.