Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 10.04.2024 – XII ZB 559/23 –
I.
Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass einem Betreuer, dem der Aufgabenbereich Wohnungsangelegenheiten übertragen worden ist, für den Zeitraum zwischen dem dauerhaften Umzug eines vermögenden Betreuten von seiner Mietwohnung in ein Pflegeheim und der Beendigung des Mietverhältnisses die gesonderte Pauschale nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Vormünder- und Betreuungsvergütungsgesetz (VBVG) zusteht. Damit widersprach der BGH der von den Vorinstanzen (Amtsgericht Freiburg / Landgericht Freiburg) und einer zum Teil in der Kommentarliteratur vertretenen Meinung, die für den Anspruch auf die gesonderte Pauschale einen Zusammenhang zwischen der Vermögenslage des Betreuten und der Abwicklung der bisherigen Wohnung verlangten, wie dies bei den anderen gesonderten Pauschalen der Fall ist (Verwaltung von Geldvermögen von mindestens 150.000,00 € / Verwaltung eines Erwerbsgeschäftes).
Demgegenüber stellte der BGH – wie auch die überwiegend in der Literatur und Rechtsprechung vertretenen Ansicht – auf den klaren Wortlaut des § 10 Abs. 1 Nr. 2 VBVG ab, der einen derartigen Zusammenhang gerade nicht verlangt. Die gesonderte Pauschale setze daher nicht voraus, dass sich der Tätigkeitsschwerpunkt bei der Verwaltung des vom Betreuten selbst nicht genutzten Wohnraumes auf ein hohes Vermögen bezieht. Insbesondere käme es nicht darauf an, ob der Betreute Eigentümer oder Mieter des vom Betreuer verwalteten Wohnraumes ist, was sich bereits aus der Gesetzesbegründung ergibt. Schließlich stellt der BGH klar, dass es für die Auslegung des § 10 Abs. 1 Nr. 2 VBVG nicht darauf ankommt, ob einem Betreuer tatsächlich durch die Verwaltung des Vermögens ein höherer Betreuungsaufwand entsteht. Der Gesetzgeber habe lediglich in § 10 VBVG drei Fallgruppen beschrieben, bei denen bei einer pauschalen Betrachtungsweise ein Mehraufwand in der Regel zu erwarten ist.
II.
Der Bundesgerichtshof bleibt sich bei der Auslegung des Vergütungsrechts für Berufsbetreuer treu, indem er vorrangig auf den Wortlaut einer Vorschrift abstellt. Berufsbetreuer sollten daraus den Schluss ziehen, ihre Beschwerden gegen für sie nachteilige Vergütungsbeschlüsse nicht damit zu begründen, wie viel Arbeit und Aufwand sie mit einer bestimmten Betreuung hatten. Denn bei einem pauschalen Vergütungssystem – das nicht zum Ziel hat, in jedem Einzelfall zu einem gerechten Ergebnis zu führen – kann es darauf nicht ankommen. Vermutlich liegt es an der vor fast 20 Jahren abgeschafften sogenannten Minutenabrechnung, dass einige Berufsbetreuer und offenbar auch Betreuungsgerichte immer noch dem Gedanken nachhängen, bei der Auslegung vergütungsrechtlicher Vorschriften ginge es um den tatsächlichen Zeitaufwand für die Betreuung. Dieser Aspekt spielt bei den gesonderten Pauschalen ohnehin kaum noch eine Rolle.
Denn warum soll beispielsweise – auch bei einer typisierenden Betrachtungsweise – die Verwaltung eines Aktiendepots im Wert von 100.000,00 Euro zeitlich weniger aufwändig sein, als die Verwaltung eines Depots mit einem Wert von 1 Mio. Euro. Der Gesetzgeber sollte endlich erkennen, dass es bei der Vergütung für Betreuer nicht nur um den zeitlichen Aufwand, sondern auch um die übernommene Verantwortung gehen muss und diesen Aspekt in den gesonderten Pauschalen zum Ausdruck bringen. In der Entscheidung des BGH wird für die Entstehung der gesonderten Pauschale auf den dauerhaften Umzug in eine stationäre Einrichtung abgestellt.
Aus dem Wortlaut ergibt sich diese Differenzierung nicht. Soweit ersichtlich bleibt die Frage ungeklärt, ob die gesonderte Pauschale nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 VBVG auch dann anfällt, wenn ein vermögender Betreuter nach einigen Monaten von einem Pflegeheim zurück in seine Mietwohnung umzieht. Auch während dieser Zeit ist von dem Betreuten nicht genutzter Wohnraum zu verwalten und stellt sich beispielsweise die Frage nach einer Untervermietung, Unterhaltung und Reinigung der Wohnung. Dass in diesen Fällen außerdem die höhere Pauschale für eine „andere Wohnform“ und nicht für eine „stationäre Einrichtung“ entsteht, ändert an dieser Betrachtungsweise nichts, vor allem dann nicht, wenn man – wie der BGH – auf den Wortlaut der Vorschrift abstellt. Denn für die Fallpauschale kommt es auf den gewöhnlichen Aufenthaltsort (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 VBVG) an, während für die gesonderte Pauschale darauf abgestellt wird, ob der Wohnraum tatsächlich genutzt wird. Daher sind Fälle vorstellbar, bei denen die gesonderte Pauschale nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 VBVG neben der Fallpauschale für eine andere – also nicht stationäre – Wohnform abgerechnet werden kann.