„Elferregel“: BGH bestätigt die Leibeigenschaft von Berufsbetreueranwärtern

Nachträgliche Feststellung der Berufsmäßigkeit für die Zukunft bleibt zulässig

Der 12. Senat des Bundesgerichtshofes nutzt weiterhin alle der zahlreichen Auslegungsspielräume des Vormünder- und Berufsbetreuer-Vergütungsgesetzes (VBVG), um die Länder bei der Einsparung von Vergütungskosten zu unterstützen. Gleichzeitig schützen die Richter des für das Betreuungsrecht zuständigen Senates die fast schrankenlosen Machtbefugnisse der Betreuungsrichter vor Ort bei der Frage, wer wann als Berufsbetreuer eine Vergütung erhält.

Nach der lückenlosen Absicherung der jederzeitigen Herabstufungsbefugnis der Betreuungsgerichte hoben die Bundesrichter nun in ungewöhnlich kurzer Zeit eine Entscheidung des Landgerichts Kleve vom 17. Juni 2013 auf. Mit Beschluss vom 8. Januar 2014 (XII ZB 354/13) erklärte der BGH die nachträgliche Feststellung der Berufsmäßigkeit mit Wirkung für die Zukunft wieder für zulässig. Das LG Kleve hatte die Unzulässigkeit einer späteren Feststellung der Berufsmäßigkeit damit begründet, dass die Möglichkeit der jederzeitigen Feststellung der Berufsmäßigkeit der Betreuerbestellung den Charakter des Bestellungsbeschlusses als Einheitsentscheidung in Frage stelle, die Ergebnis eines umfassenden Abwägungsprozesses sei.

Das Landgericht Kleve wollte die Betreuungsrichter seines Bezirkes zu einer frühzeitigen Prognoseentscheidung zwingen, ob „in absehbarer Zeit“ 10 Fälle übertragen würden. Der Gesetzgeber habe mit der Möglichkeit dieser Prognose „den Bedürfnissen angehender Berufsbetreuer“ Rechnung getragen, indem diese ab dem ersten Fall vergütet werden könnten.

Im entschiedenen Fall wollte ein Behördenbetreuer seine seit 19 Jahren ehrenamtlich geführten Fälle im Ruhe¬stand berufsmäßig führen und dies auch noch rückwirkend feststellen lassen. Die vom LG Kleve festgestellte Unzulässigkeit dieses Begehrens bestätigte der BGH, nicht aber die Untersagung einer späteren Feststellung der Berufsmäßigkeit mit Wirkung für die Zukunft. Von der BGH-Entscheidung können Ehrenamtler profitieren, die sich irgendwann entschließen, mit Betreuung auch Geld verdienen zu wollen.

Das Nachsehen haben qualifizierte Existenzgründer, die in der persönlichen Abhängigkeit von den Betreuungsrichtern bleiben, die eine Prognoseentscheidung nun wieder umgehen können und Berufsbetreueranwärter auf unbestimmte Zeit mit zehn ehrenamtlichen Fällen sich „bewähren“ lassen, bis es ihnen beliebt, doch noch eine Vergütung zu bewilligen. Die Hürden für eine solche nachträgliche Entscheidung hat der BGH allerdings noch weiter erhöht: wegen des Vorrangs der Ehrenamtlichkeit dürften die ehrenamtlichen Fälle nicht einfach in berufsmä¬ßige umgewandelt werden, sondern es seien in jedem Einzelfall neue Auswahlentscheidungen (ist ein Berufsbetreuer erforderlich?) zu treffen.

Zwar könne das Gericht die Berufsmäßigkeit weiterhin sofort mit der Bestellung feststellen, so der BGH. Wenn dies unterbleibe, sei es dem Betreuer unbenommen, mit der Beschwerde die Feststellung der Berufsmäßigkeit zu betreiben.
Dass eine solche Beschwerde gegen die unterbliebene Feststellung der Berufsmäßigkeit nicht nur materiellrechtlich nunmehr völlig aussichtslos ist, sondern ein in seiner beruflichen Existenz vom Betreuungsrichter vollkommen abhängiger Berufsbetreueranwärter ganz zu Beginn seiner Tätigkeit die Hand, die ihn füttern soll, nicht mit einer Beschwerde beißen wird, haben die Bundesrichter natürlich nicht erörtert.

Der 1. Vorsitzende des Bundesverbandes freier Berufsbetreuer, Walter Klitschka, wiederholte seine berufspolitische Einschätzung: „Wer von Anfang an Berufsbetreuer sein wollte und von Gericht und Behörde fachlich und persönlich als geeignet angesehen wird, muss keine ehrenamtliche „Probezeit“ akzeptieren, wenn Bedarf an weiteren berufsmäßigen Betreuerbestellungen besteht.“ Angesichts der BGH-Entscheidung  habe es nun aber für angehende Berufsbetreuer keinen Sinn mehr, gegen eine Bestellung als ehrenamtlicher Betreuer Beschwerde einzulegen.