Beschluss des Verwaltungsgerichts Köln vom 26.06.2024 – 1 L 953/24
I.
Eine Betreuungsbehörde hatte mit Bescheid vom 29.04.2024 die Registrierung eines Berufsbetreuers mit der Begründung widerrufen, dieser sei unzuverlässig, persönlich ungeeignet und dauerhaft unqualifiziert (§ 27 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 BtOG). Dabei bezog sie sich auf Sachverhalte, die sich vor der Registrierung des Betreuers im November 2023 zugetragen hatten. Außerdem hatte die Behörde die sofortige Vollziehung des Widerrufs der Registrierung angeordnet. Letzteres hat zur Folge, dass der betroffene Betreuer nicht mehr als Berufsbetreuer bestellt werden kann und ihm keine Vergütungsansprüche mehr zustehen.
Gegen den Widerruf der Registrierung erhob der Betreuer – ein Rechtsanwalt – Klage beim Verwaltungsgericht. Darüber hinaus beantragte er im Eilverfahren die aufschiebende Wirkung seiner Klage wiederherzustellen, um bis zu einer Entscheidung über seine Klage (Hauptsacheverfahren) zumindest vorübergehend weiter als Berufsbetreuer tätig sein zu können.
Das Verwaltungsgericht Köln gab dem Betreuer im Eilverfahren recht. Zwar habe die Behörde in ihrer Entscheidung auf das Verhalten des Betreuers vor seiner Registrierung abstellen dürfen, jedoch habe sie dem Betreuer keine Gelegenheit gegeben, sein im September 2023 beanstandetes Verhalten zu ändern und nicht ausreichend rechtliches Gehör gewährt. Von besonderer Bedeutung für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts war schließlich, dass die Behörde bei der Abwägung des öffentlichen Interesses am Sofortvollzug (Schutz der betreuten Person) und den Interessen des selbständigen Betreuers die Bedeutung der Berufsfreiheit verkannt habe. Daher habe die Behörde gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen. Wörtlich heißt es hierzu in dem Beschluss:
„Ist dem Gericht eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden. In diesem Fall sind die grundrechtlichen Belange des Antragstellers (Anmerkung: Betreuers) umfassend in die Abwägung einzustellen. (…) Nach summarischer Prüfung wäre die Antragsgegnerin (Anmerkung: Betreuungsbehörde) aufgrund des Verhältnismäßigkeitsprinzips aufgrund des schwerwiegenden Eingriffs in die Berufsfreiheit des Antragstellers (Art. 12 GG) durch den Widerruf der Registrierung, gehalten gewesen, dem Antragsteller nicht nur rechtliches Gehör hinsichtlich des Widerrufs, sondern auch die praktische Gelegenheit zu geben, das beanstandete Verhalten dauerhaft abzustellen und so den Grund für einen Widerruf zu beseitigen.“
Das Verwaltungsgericht Köln betont in diesem Zusammenhang, dass vor dem Widerruf der Registrierung von der Behörde als das für den Berufsbetreuer mildere Mittel zu prüfen ist, ob eine Entlassung im Einzelfall nach § 1868 BGB ausreicht, um dem öffentlichen Interesse am Sofortvollzug zu genügen. Für die behaupteten – im Einzelnen in der Entscheidung nicht mitgeteilten – Verfehlungen des Berufsbetreuers trage schließlich die Behörde die volle Darlegungs- und Beweislast.
II.
Mit der Einführung einer Berufsqualifikation für Berufsbetreuer durch das Registrierungsverfahren scheint endlich das Grundrecht der Berufsfreiheit stärker in das Bewusstsein der Gerichte eingedrungen zu sein, während insoweit bei den Betreuungsbehörden, die sich teilweise als „Anwälte“ der betreuten Menschen aufzuspielen scheinen, Nachholbedarf besteht.
Es erstaunt, dass die für Berufsbetreuer seit jeher geltende Berufsfreiheit in der Rechtsprechung bislang so wenig Beachtung gefunden hat. Ursachen hierfür sind vermutlich die Möglichkeit der ehrenamtlichen Betreuung und der bis zur Reform des Betreuungsrechts fehlende Nachweis einer fachlichen Qualifikation für Berufsbetreuer.
Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Köln ist im Grunde juristisch eine Selbstverständlichkeit; für Berufsbetreuer aber möglicherweise bahnbrechend:
Es ging in dem Eilverfahren um die Frage, ob bis zur Entscheidung in der Hauptsache, die bei den Verwaltungsgerichten erfahrungsgemäß häufig erst mehrere Jahre nach Klageerhebung zu erwarten ist, der betroffene Rechtsanwalt seinen Beruf als rechtlicher Betreuer weiter ausüben kann. Diese Entscheidung wurde von der beklagten Betreuungsbehörde provoziert, da sie – ohne dass sich hierfür nachvollziehbare Gründe aus der gerichtlichen Entscheidung ergeben – die sofortige Vollziehung des Widerrufs der Registrierung angeordnet hatte.
Dass für einen sofortigen Widerruf, der mit einem sofortigen Berufsverbot vergleichbar ist, schwerwiegende Gründe vorliegen müssen, die grundsätzlich von der Behörde dargelegt und vor allem bewiesen werden müssen, hat das Verwaltungsgericht Köln nunmehr klargestellt. Da dieser Beweis im Eilverfahren häufig (noch) nicht erbracht werden kann, kommt es für die Entscheidung im Eilverfahren auf eine Interessenabwägung an, die die Behörde im vorliegenden Fall, nach allem, was sich aus dem Beschluss des Verwaltungsgerichts Köln ergibt, überhaupt nicht vorgenommen hatte. Daher kann der Beschluss in der Sache auch nicht weiter kommentiert werden und bleibt offen, ob das Verwaltungsgericht im Hauptsachverfahren den Widerruf der Registrierung für gerechtfertigt hält. Dass sich jedoch die Frage aufdrängt, dass sich der betroffene Betreuer vor dem Widerruf zu den Vorwürfen ausreichend äußern können muss und ein Betreuerwechsel im konkreten Fall, den wesentlich geringfügigen Eingriff in das Grundrecht darstellt, hätte der Betreuungsbehörde bekannt sein sollen.
Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Köln sollte dazu beitragen, dass Betreuungsbehörden zukünftig sehr viel umsichtiger und vorsichtiger mit dem „scharfen Schwert“ des Sofortvollzuges umgehen und endlich erkennen, dass sie als „objektive Instanz“ sowohl die Interessen und Rechte der betreuten Menschen als auch diejenigen der Berufsbetreuer zu achten haben.
III.
Nach ganz herrschender Meinung (VG Weimar, Beschluss vom 4. Oktober 2023– 8 E 1125/23; Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht, Beschluss vom 16. Januar 2024 – 12 B 62/23; VG Magdeburg, Beschluss vom 22.05.2023 – 2 B 139/232; a.A. VG Bremen, Beschluss vom 20. November 2023– 5 V 2458/23) kann nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes die Registrierung von Bestandsbeteuern nicht mit der fehlenden persönlichen Eignung verweigert werden. Die Kehrseite der Medaille ist – auch darauf weist das Verwaltungsgericht Köln hin – dass bei einem Widerruf der Registrierung eines Bestandsbetreuers auch auf Sachverhalte abgestellt werden kann, die sich vor der Registrierung zugetragen haben. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichts Köln soll dies auch für ein Verhalten gelten, dass sich vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Betreuungsrechts am 01.01.2023 zugetragen hat.
In der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Köln ging es um einen anwaltlichen Betreuer, der neben seinem Beruf als rechtlicher Betreuer auch anwaltlich tätig ist. Diese Tatsache wirkte sich auf die Interessenabwägung, die das Gericht bei seiner vorläufigen Prüfung vorzunehmen hatte, eher nachteilig aus. Denn der Eingriff in die Berufsfreiheit ist noch schwerwiegender, wenn ein Berufsbetreuer seinen Lebensunterhalt ausschließlich mit der Führung rechtlicher Betreuungen finanziert. Berufsbetreuer, die keinen Nebenberuf ausüben, haben daher bei einer Interessenabwägung noch größere Erfolgsaussichten. Die Verwaltungsgerichte werden voraussichtlich die Anordnung des Sofortvollzuges eher als rechtswidrig beurteilen, wenn durch den Widerruf der Registrierung die Berufsausübung insgesamt unmöglich gemacht wird. Deshalb sollten sich auch oder vor allem nicht anwaltliche Berufsbetreuer veranlasst sehen, gegen den Sofortvollzug eines Widerrufs der Registrierung gerichtlich vorzugehen.