BdB: Nur wer Betreuerbestellung ablehnt, braucht noch einen Betreuer

Berufsverband fordert im Bundestag, Betreuerbestellungen um 69 % zu reduzieren

Ein radikaler Sparvorschlag für alle die Rechtspolitiker, die das Betreuungswesen gerne bis auf einen unabdingbaren Restbestand abwracken wollen, kommt vom Berufsverband der Berufsbetreuerinnen (BdB): nur wer sich gegen die Bestellung einer rechtlichen Betreuung für sich selbst ausspreche, beweise damit, dass er noch einen Betreuer brauche. Dies wird der stellvertretende BdB-Vorsitzende Thorsten Becker heute in der Anhörung des Bundestags-Rechtsausschuss zum  4. Betreuungsrechts-Änderungsgesetz vortragen. In der vorab veröffentlichten Stellungnahme heißt es:

„Zurzeit werden ca. 69 % der Betreuungen mit Einverständnis des Betroffenen eingerichtet. Man kann also davon ausgehen, dass in diesen Fällen

die Ratschläge und Hilfestellungen des Betreuers akzeptiert werden und deshalb keine Stellvertretung erforderlich ist. In diesen Fällen würde ein System zur unterstützen Entscheidungsfindung ausreichen. Eine mit einer Möglichkeit der stellvertretenden Entscheidung verbundene Betreuung im herkömmlichen Sinne wäre dann allenfalls noch für ein knappes Drittel der jetzigen Betreuungen erforderlich, eben in Fällen, in denen der Betroffene krankheitsbedingt die Folgen seines Tuns nicht mehr abschätzen kann bzw. nicht in der Lage ist, entsprechend seiner Erkenntnisse sinnvoll zu handeln oder in denen er krankheitsbedingt überhaupt nicht mehr handlungsfähig ist.“

Der BdB will mit der Forderung nach Betreuungsabbau seinen Vorschlag der „geeignete Stellen“ unterstützen, die neben Betreuung auch Sozialarbeit leisten sollen.

„Betreuung ist die Befugnis zur rechtlichen Stellvertretung. Selbstverständlich braucht auch der größere Teil der Menschen, die sich nicht ausdrücklich gegen eine Betreuerbestellung wenden, weiterhin einen Betreuer, weil sie auch mit der Unterstützung rechtlicher Assistenten nicht in der Lage wären, Entscheidungen in ihren rechtlichen Angelegenheiten zu treffen“, wies der 1. Vorsitzende des Bundesverbandes freier Berufsbetreuer e.V., Helge Wittrodt, die BdB-Position zurück. „Der BdB liefert all den Politikern einen willkommenen Vorwand, die sofort massive Einsparungen im Betreuungswesen durchsetzen wollen. Ob der parallele Aufbau funktionsfähigen System rechtlicher Assistenz für die tatsächlich nicht betreuungsbedürftigen Menschen politische Unterstützung finden wird und wer es finanzieren soll, lässt der BdB-Vorstand in seinem Eifer, Sozialarbeitern neue Arbeitsfelder zu erschließen, völlig außer Acht“, kritisierte Wittrodt, der selbst auch Diplom-Sozialarbeiter ist.

Der BVfB arbeitet gemeinsam mit den anderen Verbänden im Betreuungswesen an einer langfristig angelegten Strategie zur Einführung rechtlicher Assistenz.