Umsatzsteuerbefreiung hat nur steuersystematische Gründe

Regierungskoalition kommt Urteil des Europäischen Gerichtshofes zuvor

Mit ihrer Entscheidung für die Umsatzsteuerbefreiung der Betreuervergütungen wollten die Finanzpolitiker der Regierungsparteien im Bundestag nicht nur den Berufsbetreuern ein Geschenk bereiten, sondern auch der Bundesjustizministerin und den Mitgliedern des Rechtsausschusses im Bundestag. Die dürften nämlich heilfroh sein, dass sie nun nicht gezwungen sind, den Berufsbetreuern zu erklären, warum zwar alle anderen Berufsgruppen, deren Einkommen von der Justiz abhängig sind, wie Rechtsanwälte, Notare und Gerichtsvollzieher, einen Ausgleich für die Kaufkraftverluste seit 2004 erhalten, nur die Berufsbetreuer nicht. Ein Inflationsausgleich für Berufsbetreuer in Höhe von 18 % aus den Landesjustizkassen

(für die 85 % mittelloser Betreuter) würde nämlich in etwa das kosten, was die Länder mit Hilfe des Kostenrechts-Modernisierungsgesetz einsparen wollten, ca. 100 Millionen Euro. Es ist politisch wesentlich einfacher, aus dem Topf des Umsatzsteueraufkommens von 190 Mrd. € auf 0,05 % Einnahmen zu verzichten statt dieselbe Summe den Länderjustizhaushalten aufzuerlegen.

Den Anstoß zur Umsatzsteuerbefreiung haben im April die Umsatzsteuerreferenten der Länderfinanzministerien gegeben. Der Bundesfinanzminister hat die Idee aufgegriffen, weil er mit dem Jahressteuergesetz 2013 im Jahr der Bundestagswahl möglichst viele Gruppen durch Steuererleichterungen beglücken möchte. Die Beamten wollten mit ihrer Initiative nur dem Europäischen Gerichtshof zuvorkommen, der am 15. November voraussichtlich entscheiden wird, dass auch die selbständige und nicht nur die gemeinnützige Aufgabenerfüllung mit sozialer Zielrichtung umsatzsteuerbefreit sein muss. Der Bundesfinanzhof wird daraufhin kaum eine andere Wahl haben, als selbständige Berufsbetreuer den Betreuungsvereinen bei der Umsatzsteuerfreiheit auch für die Vergangenheit seit 2005 gleichzustellen. Dann wäre die Umsatzsteuerbefreiung durch den Gesetzgeber sogar überflüssig: maßgeblich für die Umsatzsteuerbelastung der Berufsbetreuer ist die Auslegung der Europäischen Mehrwertsteuerrichtlinie durch den Europäischen Gerichtshof, nicht der Bundestag.

Es gibt keine Hinweise darauf, dass sich die Bundesjustizministerin außerhalb der Ressortabstimmung über das Jahressteuergesetz tatsächlich für die Berufsbetreuer eingesetzt hätte, wie sie jetzt in ihrer Pressemitteilung behauptet. Noch im Mai hatte das Ministerium keine Veranlassung gesehen, bei den Betreuervergütungen aktiv zu werden. Mit ihrem Bekenntnis zur Einkommensverbesserung der Betreuer hat die Ministerin allerdings eine Vergütungsabsenkung im VBVG ausgeschlossen.

Mit der Umsatzsteuerfreiheit ist die von Anfang an verfehlte Bruttovergütung gegenstandslos geworden. Keine andere Berufsgruppe, deren Vergütungen durch Justizgesetze geregelt werden, erhält etwas anderes als Nettovergütungen zuzüglich einer Umsatzsteuererstattung. Mit der Bruttovergütung haben sich im Jahr 2005 die Justizminister der Länder, in denen die Betreuungsvereine nicht so vorbildlich wie in Rheinland-Pfalz gefördert werden, durch Bundesgesetz zu einer Mindest-Vereinsförderung zwingen lassen. Jetzt müssen sich alle Landesregierungen wieder mit der Frage auseinandersetzen, wie viel Vereinsfördermittel sie in die Vermeidung von vergüteten Betreuungen investieren wollen.

Wenn die Bundesjustizministerin den Berufsbetreuern tatsächlich die von ihnen geleistete anspruchsvolle und schwierige Arbeit anerkennen will, sollte sie dies in ihrem Zuständigkeitsbereich tun: mit der gesetzlichen Regelung von Betreuereignungskriterien und einer leistungsgerechten Vergütungsstruktur.
Autor: Dr.Jörg Tänzer – fachlicher Geschäftsführer des BVfB