Frau Eff, Berufsbetreuerin… ist krank
Hohes Fieber und widerwärtige Viren haben die arme Frau Eff niedergestreckt. Leise jammernd, umsorgt vom Ehemann, schlürft sie schicksalsergeben ihre Hühnersuppe und macht sich Gedanken. Schlimmer noch: Frau Eff macht sich Sorgen. Ihren Bruder hat es letztens auch umgehauen, und zwar von einer Leiter. Das Ergebnis war ein extrem komplizierter Bruch des Fußgelenks und eine siebenmonatige Arbeitsunfähigkeit inklusive Reha-Maßnahme. Würde mir das passieren, wäre das eine mittlere Katastrophe.
Mit der Wärmflasche an den Rippen male ich mir aus, was passieren würde, wenn ich von einem Tag auf den anderen für eine längere Zeit ins Krankenhaus käme. Für ein paar Tage oder auch Wochen könnte meine Urlaubsvertretung einspringen. Aber dann? Ich betreute zurzeit 39 Klienten, fast alle sind jünger als 50 Jahre und leben in einer eigenen Wohnung. Die Kollegen wissen, was das in Bezug auf planbare Arbeit heißt. Kein Kollege könnte meinen Schreitisch und die Betreuten einfach so für längere Zeit übernehmen. Dazu kommt, dass die hiesigen Gerichte nie einen Vertretungsbetreuer in die Beschlüsse aufnehmen. Offiziell ist also schon einmal gar keiner zuständig oder handlungsbefugt. Keiner weiß, was bei den Klienten aktuell ansteht, keiner kennt ihre Geschichte genau (auch nicht meine Urlaubsvertretung) und mein Terminkalender ist im Computer ebenso gut versteckt wie alle Kontaktdaten der Klienten.
Eine plötzliche Krankheitssituation haben wir im Kollegenkreis schon mehrfach besprochen. Es gab auch Ansätze, hier systematisch und solidarisch etwas zu ändern. Aus der Sorge heraus, bei einem längeren, krankheitsbedingten Ausfall alle Fälle abgeben und nach der Genesung wieder bei null starten zu müssen, hatten wir uns Folgendes überlegt:
Eine Gruppe von zwanzig Berufsbetreuern erstellt eine gegenseitige Selbstverpflichtung, die in etwa so schriftlich festgehalten wird:
Hiermit erklären wir unsere Bereitschaft, im Falle einer längerfristigen krankheits- oder notfallbedingten Abwesenheit der o.g. Kolleg/innen, jeweils zwei bis drei Betreuungsfälle von ihm/ihr zu übernehmen und sie nach der Rückkehr des Kollege / der Kollegin wieder in deren Zuständigkeitsbereich zurückzugeben.
Wir erklären uns bereit, in Absprache mit der zuständigen Betreuungsstelle und dem Amtsgericht die Übernahme der einzelnen Fälle zu beantragen (Umbestellung oder Vertretungsbetreuung) und uns um die sachgerechte Fortführung zu kümmern. Sobald der Kollege / die Kollegin wieder in der Lage ist, seine Betreuungsfälle zurückzunehmen, leiten wir eine Rückgabe in die Wege.
An diese Erklärung anhängen sollte jeder Informationen darüber, wie die Genannten ins Büro kommen, Zugang zu Akten und Daten im PC erhalten und wer die Aufteilung der Betreuungsfälle koordinieren könnte. Über diese Regelung sollten Angehörige, Büromitarbeiter, Gerichte und die Betreuungsstelle informiert sein. Idealerweise hätte also mein Mann im Falle einer plötzlichen und längeren Erkrankung von mir nur den Koordinator anrufen und eine Übergabe in meinem Büro machen müssen. Die Kollegen hätten dann sofort alle meine Fälle aufgeteilt, übernommen und später an mich zurückgegeben.
Ich finde, das hört sich gut an. Leider offenbar für einige nicht gut genug. Bis heute haben nur vier Kollegen die Selbstverpflichtung ausgefüllt, obwohl anfangs alle zwanzig Angefragten dafür waren. Von einigen gab es dann doch Bedenken („Dieser Kollege soll aber auf keinen Fall einen von meinen Leuten übernehmen!“), andere waren der Ansicht, sie würden nicht krank.
Frau Eff muss die Sache wirklich noch einmal in die Hand nehmen. Sich Sorgen machen, wenn man Grippe hat, ist ungesund. Außerdem hat einer der Kollegen, der von der Vertretungsideen begeistert war, die Sache ein bisschen weiter gesponnen: Sabbatical für Betreuer, mal für ein halbes Jahr aussteigen, Bienen züchten, zu Fuß durch Portugal laufen, nicht erreichbar sein und gar nichts tun.