Frau Eff… und das moderne staatliche Selbstverständnis

Frau Eff, Berufsbetreuerin… und das moderne staatliche Selbstverständnis

Mit Verweis auf das Informationsfreiheitsgesetzes hat das Verwaltungsgericht Leipzig am 10. Januar 2013 feststellt, dass es einen Zugangsanspruch für alle Bürger Deutschlands auf Telefonlisten der Jobcenter gibt. In der Begründung heißt es: „Es ist Ausdruck modernen staatlichem Selbstverständnisses, die telefonische Erreichbarkeit in beiden Richtungen unmittelbar sicherzustellen, und zwar auch in sogenannten Massenverfahren und grade auch in Bereichen, wo es um die soziale Existenz gehen kann“. Warum war der Rechtstreit notwendig? Weil auf keinem der Jobcenterbescheide die Durchwahl des Sachbearbeiters steht. Diese Nummern sind geheim. Wegen der Nichtzulassungsbeschwerde des beklagten Jobcenters ist das Urteil allerdings noch nicht rechtskräftig.

Trotzdem hat sich Harald Thomé im vergangenen Jahr die Mühe gemacht, Telefonlisten aller deutschen Jobcenter zu sammeln und auf seiner Internetseite (www.harald-thome.de) zu veröffentlichen. Es war Leistungsempfängern und auch uns rechtlichen Betreuern so möglich, die Sachbearbeiter persönlich anzurufen und Fragen direkt zu klären.

Damit ist jetzt Schluss, weil Herr Thomé, den man beim besten Willen nicht als ängstlich bezeichnen kann, die Schnauze voll hat. In einer Erklärung berichtet er, dass es von Seiten der Jobcenter “Anfeindungen, Beleidigungen, Drohanrufen, aber auch unmittelbare Gewaltandrohungen” gegeben habe. Man kündigte ihm an, kostenintensive Unterlassungsverfügungen von der Kette zu lassen, wenn er nicht sofort die Listen aus dem Netz nähme. Da er dieses finanzielle Risiko nicht eingehen kann, hat er die Seite Anfang 2014 geschlossen.

Wenn also demnächst bei Familie H. am 1. des Monats mal wieder kein Geld auf dem Konto ist, weil das Jobcenter vergessen hat, die Überweisung ins System einzugeben, wenn auf dem Berechnungsbogen von Frau K. bereits der 200-Euro-Lohn abgezogen wurde, den sie erst nächsten Monat bekommt, wenn Herr M. nicht versteht, warum ihm keine Heizkosten mehr überwiesen werden, dann bleiben Familie H. und Frau K. und Herr M. zwei Möglichkeiten: Entweder sie wählen die Servicenummer ihres Jobcenters und haben am anderen Ende jemanden, der ihnen nie und nimmer weiterhelfen kann, weil er die Akte gar nicht vorliegen hat. Oder sie machen sich persönlich auf den Weg, ziehen um 08:01 Uhr eine Wartemarke mit der Nummer 67 und können dann so gegen 13:10 Uhr mit ihrem Sachbearbeiter sprechen. Diese Möglichkeit der persönlichen Vorsprache mag in Großstädten noch durchführbar sein. In ländlichen Gebieten kostet das schnell mal 25 Euro Fahrtkosten und den ganzen Tag Zeit. Sie können natürlich auch Plan C wählen und einen Brief schreiben. Wenn sie können.

Den Jobcentern wird also zugestanden, sich weiterhin gegen ihre “Kunden” abzuschotten. Während jeder Nudelhersteller und jede Bank und eigentlich überhaupt jeder rund um die Uhr erreichbar ist, werden Menschen in Notlagen daran gehindert, diejenigen zu erreichen, die ihnen im staatlichen Auftrag helfen sollen. Die von den Jobcentern oft zitiert Mitwirkungspflicht ist hier eine dunkle Einbahnstraße.

Nachtrag: Piratenpartei hat angekündigt, das Behördentransparenzprojekt mit den Jobcentertelefonlisten fortzusetzen.