Frau Eff… und die Betreuer als Familienschreck
Es wird ja in Funk und Fernsehen viel geschimpft über die rechtlichen Betreuer, die vermeintlich treusorgende Angehörige ignorieren, gewachsene Familienstrukturen zerschlagen und aus Faulheit ihre Klienten ins erstbeste Pflegeheim verfrachten, ohne sich dann weiter um sie zu kümmern.
Dass es auch anders kommen kann, erlebe ich in meinem Alltag und auch bei Kollegen immer wieder. Wobei es leider eher nicht so selten ist, dass sich Familienangehörige aufregen und auf uns Betreuer schimpfen. Nicht nur, wenn wir ihren behinderten Angehörigen etwas verwehren, sondern auch, wenn wir ihnen das geben, was ihnen zusteht.
So zum Beispiel bei Herrn C. Der 92-jährige ist sehr vermögend. Sein großes Haus bewohnt er seit 60 Jahren. Obwohl er, zuletzt auch mit Hilfe seines Betreuers, den Haushalt und seine Pflege mit einem Heer von Hilfskräften und Hausangestellten aufrecht erhalten hat, geht es eines Tages beim besten Willen nicht mehr. Herr C. entscheidet sich für einen Umzug ins Pflegeheim.
Seine Angehörigen, die sowohl bei der Betreuerbestellung als auch sonst eher unsichtbar waren, stehen nun plötzlich zeternd auf der Matte und kritisieren die Wahl der Einrichtung: Der Tagessatz der ausgesuchten Seniorenresidenz sei Wucher, völlig überteuert, das Heim keinesfalls der richtige Platz für Papa. Der Betreuer ignoriert die Einwände kopfschüttelnd, weil der Kontostand des alten Herren den Verbleib in diesem Luxusheim problemlos für die nächsten 120 Jahre abdecken wird. Es kommt aber noch viel besser. Herr C. möchte nämlich sein vertrautes Haus gerne weiterhin nutzen und sein rechtlicher Betreuer ist ihm gerne dabei behilflich, dies in die Tat umzusetzen. Immer donnerstags holen ihn zwei Damen ab und begleiten ihn in sein Haus. Dort spaziert er durch den Garten, sitzt bei kühlerem Wetter ein wenig vor dem Kamin, trinkt mit den Damen Kaffee, stöbert ein wenig in seiner Bibliothek und schaut danach, dass immer genug Vogelfutter an den vier Futterplätzen liegt. Dass das Haus bei seinen wöchentlichen Besuchen sauber, geheizt und in einem top Zustand ist, dafür sorgt die alte Haushälterin, die weiter nach dem Rechten sieht. Er möchte das gerne so, und dagegen ist auch nichts einzuwenden. Die am Erbe interessierte Familie hat inzwischen ihren Anwalt von der Kette gelassen.
Eine ähnliche, aber nicht ganz so kostspielige Lösung hat Frau Eff für Frau W. gefunden. Sie durfte ihre Katze nicht mit ins Pflegeheim nehmen. Also bleibt die Mietze bei der Nachbarin, die für Futter und Pflege eine Aufwandsentschädigung bekommt. Mindestens einmal pro Woche fährt Frau W. mit dem Taxi zur Nachbarin und besucht ihre Katze. Die Freude ist dann auf beiden Seiten groß, das Fellbündel weicht kaum von Frau W.s Seite. Wir haben ausgerechnet, dass das Sparvermögen von Frau W. diese externe Katzenlösung finanzieren kann, bis einer der Beteiligten stirbt. Wir haben das ganz offen besprochen, und auch darüber geredet, dass Frau W. ihr Geld lieber für die Katzenbesuche ausgibt, als für ihre Beerdigung. Niemand kann sie zwingen, für ihren Sarg zu sparen. Darüber hat sie sich persönlich informiert. Ihr Sohn findet das skandalös und würde das „dumme Katzenvieh“ lieber heute als morgen zum Mond schießen.
So hat sicher jeder Betreuer Geschichten zu erzählen, wie Klienten für Angehörige eigentlich nur noch lästige Kostenfaktoren sind, die möglichst preiswert versorgt werden sollen. Sehr beliebt in diesem Zusammenhang ist auch immer wieder die Forderung an die Betreuerin, statt des Pflegeheims „eine Polin“ zu besorgen. Der Herr Sohn im schicken Dreiteiler stellt sich allen Ernstes vor, dass Frau Eff übermorgen eine All-inclusive-Pflegekraft aus Kattowitz in die mütterliche Wohnung verfrachtet, die dann alles macht, Haushalt, Pflege, Geselligkeit, rund um die Uhr, für maximal tausend Euro bar auf die Kralle.
Nun, damit es hier nicht zu negativ wird, noch eine kleine Mutter-Sohn-Geschichte zum Schluss.
Seit Jahren schon jammert mir die alte Frau H. die Ohren voll, wie furchtbar es sei, dass ihr Sohn sie nicht besuchen komme. Nie. Nicht ein Mal in all den Jahren. Obwohl ich ahne, dass das Zerwürfnis einen Grund hat, tue ich Frau H. den Gefallen und schreibe dem Sohn einen kurzen Brief. Ich übermittle ihm sachlichen den Wunsch der Mutter, besucht zu werden. Schon am nächsten Tag ruft er mich an und will mir seine ganze Geschichte erzählen. Ich sage ihm: „Herr H., das will ich gar nicht hören. Ich bin hier nicht Schiedsrichterin. Sie haben sicher Gründe für ihr Verhalten, darüber möchte ich nicht urteilen. Ich kann Ihnen nur eins sagen: Ich habe es mehrfach erlebt, dass Kinder es bitter bereut haben, vor dem Tod der Eltern den Kontakt nicht wieder aufgenommen zu haben. Es wird sicher nicht leicht mit ihrer Mutter, vielleicht trinken sie nur schweigend einen Kaffee zusammen und geben sich die Hand. Aber Sie werden es nicht bereuen. Und sie werden es eher für sich tun, als für ihre Mutter“. Der Sohn hat sich daraufhin ein Herz gefasst und hat die Mutter besucht.