Frau Eff, Berufsbetreuerin… und die Erreichbarkeit
Als ich letztens eine Kollegin anrief, um mit ihr über einen Fall zu sprechen, mussten wir unseren Austausch beenden, weil bei ihr ständig das Handy dazwischen bimmelte. Vor einem Jahr hatte sie angefangen, ausgewählten Einrichtungen, Ämtern und Klienten ihre mobile Telefonnummer zu geben, und inzwischen ist der Damm gebrochen. Wer sie nicht im Büro erreicht, versucht es sofort auf dem Handy. Das bedeutet, dass sie kaum noch Ruhe hat, weil häufig zwei Telefone klingen.
Das beobachte ich mit Erstaunen bei vielen Kollegen und Kolleginnen: Egal ob sie an einem Hilfeplangespräch teilnehmen, in der Klinik an einer OP-Aufklärung teilnehmen oder bei einem Klienten einen Hausbesuch machen, häufig haben sie das Handy am Ohr und reden, reden, reden. Reflexartig wird jedes Gespräch entgegen genommen und die ständige Erreichbarkeit als Grundvoraussetzung für den Betreuerberuf vehement verteidigt. Einige haben wenigstens ein dienstliches und ein privates Mobiltelefon, andere unterscheiden da gar nicht und werden dann natürlich auch um elf Uhr abends in der Kneipe und beim Wandern in der Eifel um ihr Privatleben gebracht. Wieder andere finden die sofortige Erreichbarkeit so wichtig, dass sie 15 bis 20 Betreuungsfälle mehr annehmen, um jemanden einstellen und bezahlen zu können, der ans Telefon geht, wenn sie nicht im Büro sind.
Mein Verdacht ist auch ein bisschen, dass es Kollegen gibt, die gar kein Privatleben haben und sich ihre eigene Wichtigkeit mit dem permanenten Handygebimmel einreden wollen.
„In der Freizeit sollte Funkstille herrschen“, forderte Arbeitsministerin von der Leyen kürzlich und mahnte die Arbeitgeber, ihre Angestellten vor ständiger Erreichbarkeit zu schützen. „Kollegen, hört genau hin“, habe ich da gerufen „es geht auch um euch, ihr könntet euch selbst schützen.“
Frau Eff nutzt gar kein Mobiltelefon, auch nicht privat. Opa Franz hat immer gesagt „Nur Dienstboten sind immer erreichbar“, das habe ich mir hinter die Ohren geschrieben. Und wissen Sie was? Das klappt wunderbar. Telefonisch erreichbar bin ich, wenn ich in meinem Büro bin. Das Telefon hat einen Anrufbeantworter mit dem Text:
„Sie haben die Nummer von Frau Eff gewählt. Meine Bürozeiten sind Montag bis Donnerstag von 8 bis 17:00 Uhr und Freitag von 8 bis 13 Uhr. Wegen Außenterminen bin ich nicht immer direkt erreichbar. Wenn Sie mir ihren Namen, ihre Telefonnummer und den Grund ihres Anrufs hinterlassen, rufe ich sie gerne zurück. Vielen Dank.“
Wenn es irgendwie geht, rufe ich immer noch am gleichen Tag zurück, allerdings möglichst nicht außerhalb meiner Bürozeiten oder am Wochenende, selbst wenn ich den Anrufbeantworter ausnahmsweise mal nach Feierabend abhöre. Damit kommen alle gut zurecht, weil ich vermitteln kann, dass gesetzliche Betreuer keine Feuerwehrfunktion haben, weder die Telefonseelsorge noch die fahrende Sparkasse sind, bei der man schnell mal 50 Euro bestellt, und auch nicht für Bereitschaftsdienst rund um die Uhr bezahlt werden.
Aber was ist denn mit den Betreuten oder Angehörigen, die erst um 17 Uhr von ihrer Arbeit kommen oder mit medizinischen Notfällen oder wenn sich mal einer ausgesperrt hat, fragen die immer erreichbaren Kollegen. Wer tagsüber arbeiten muss, hat auch eine Mittagspause und kann mich dann anrufen. Eine Nachricht auf meinem Anrufbeantworter kann man jederzeit hinterlassen. Medizinische Notfälle sind im Betreuungsrecht nicht relevant, weil dann sowieso nicht der Betreuer handeln muss, sondern der Arzt (und wenn er das nicht tut, weil er lieber auf meine Unterschrift wartet, dann drohe ich ihm mit einer Klage wegen unterlassener Hilfeleistung). Und wenn sich einer ausgesperrt hat, dann habe ich auch keinen Ersatzschlüssel. Dann muss er oder sie halt mal bei den Nachbarn unterkommen oder sich selbst etwas einfallen lassen.
Als Betreuer muss ich mich bereits auf so viele Facetten und Tiefen im Leben meiner Klienten einlassen, dass kann und will ich nicht auch noch zeitlich unbegrenzt ausdehnen. Abends und am Wochenende und auch im Urlaub sind andere zuständig. Und wenn es mal keinen Zuständigen gibt, aber trotzdem ein dickes Problem… Tja, so ist das Leben: Unberechenbar, unfair, mit Zuständigkeitslücken.