Vorsorgliche Geltendmachung der Befreiung beim Finanzamt
Nach Art. 132 der 8. EU-Mehrwertsteuerrichtlinie sind nicht nur Betreuungsvereine, sondern auch selbständige Berufsbetreuer von der Umsatzsteuer auf ihre Vergütungen zu befreien. Diese Auffassung haben eine Reihe von Steuerberatern auf Fortbildungsveranstaltungen vertreten. Letztlich muss der Bundesfinanzhof darüber entscheiden, weil nicht zu erwarten ist, dass der Gesetzgeber das Umsatzsteuergesetz entsprechend ändert. Der Bundesverband freier Berufsbetreuer (BVfB) führt ein Musterverfahren zur Feststellung der Umsatzsteuerbefreiung ab dem Jahr 2010 und der Erstattung der seit dem 1.7.2005 abgeführten Umsatzsteuer abzüglich abgezogener Vorsteuer.
Anträge auf Befreiung von der Umsatzsteuer und Erstattung stellen.
Wir haben im Newsletter 1/2010 empfohlen, dass selbständige Berufsbetreuer bis zur Entscheidung der Finanzgerichte
- gegen die Heranziehung zur Umsatzsteuer Einspruch einlegen;
- die Aussetzung der Vollziehung offener Umsatzsteuerbescheide beantragen;
- die Rückzahlung der seit dem 1.7.2005 abgeführten Umsatzsteuer beantragen;
- gegen die absehbare Ablehnung der Rückzahlung ebenfalls Einspruch einlegen.
Wenn die Einsprüche gegen die Ablehnungen der Feststellung der künftigen Umsatzsteuerfreiheit und der Erstattung abgeführter Umsatzsteuern eingelegt sind, sollte mit dem Finanzamt das Ruhen der Einsprüche unter Hinweis auf das laufende Musterverfahren vereinbart werden. Sobald das finanzgerichtliche Aktenzeichen des Musterverfahrens bekannt ist, wird es den Mitgliedern mitgeteilt. Wenn das Finanzamt keine Einspruchsentscheidung trifft, besteht auch noch keine Notwendigkeit, zur Fristwahrung selbst eine finanzgerichtliche Klage einzulegen.
Gesondert Umsatzsteuer ausgewiesen?
Es besteht allerdings eine Besonderheit, die das Verfahren auf Erstattung der Umsatzsteuer verkomplizieren dürfte. Der Antrag an das Betreuungsgericht auf Erlass eines Beschlusses über die Vergütung gem. §§ 292, 168 FamFG ist umsatzsteuerrechtlich als „Rechnung“ gem. § 14 Abs. 1 UStG zu betrachten. Auf den Rat von Steuerberatern hin haben viele Berufsbetreuer, die keine Kleinunternehmer waren oder sind, in den Vergütungsanträgen ausdrücklich die Umsatzsteuer ausgewiesen.
Dies ist zwar vergütungsrechtlich unnötig, weil gem. § 4 VBVG die Brutto-Stundensätze unabhängig vom umsatz-steuerrechtlichen Status des Antragstellers in fixer Höhe festgesetzt werden und es dem bearbeitenden Rechtspfleger gleichgültig ist, ob der Berufsbetreuer Umsatzsteuer abführt oder nicht. Umsatz-steuerrechtlich führt dies dazu, unabhängig ob zu Gunsten einer Steuerbefreiung entschieden wird, die Umsatzsteuer dann nach § 14c Abs. 1 UStG geschuldet wird.
Deshalb müssen die Berufsbetreuer, die in den Vergütungsanträgen die Umsatzsteuer ausgewiesen haben, gem. § 17 UStG eine sog. „Rechnungskorrektur“ durchführen: dem Betreuungsgericht muss mitgeteilt werden, dass auf die seit dem 1.7. 2005 beantragten Vergütungen (Antragsdatum, festgesetzte Vergütungssumme und Aktenzeichen des Betreuungsfalls aufführen! ) keine Umsatzsteuer anfällt. Auch dies ist dem zuständigen Rechtspfleger nicht wichtig, aber es muss eine Eingangsbestätigung verlangt werden.
Diese ist dann (mit Kopie des Rechnungskorrekturschreibens an das Betreuungsgericht) gemeinsam mit dem Antrag auf Umsatzsteuererstattung dem Finanzamt vorzulegen. Um die Irritation bei den Rechtspflegern vorzubeugen, sollten zunächst nur die „Rechnungs“korrekturen für den Zeitraum vom 1.7.2005 bis zum 30.9. 2008 vorgenommen werden. Somit kann der Rechtspfleger gem. § 2 VBVG sicher sein, dass die Rechnungskorrektur keine Auswirkungen auf noch nicht erloschene Vergütungsansprüche hat.
In den Fällen der Rechnungskorrektur werden die Jahre in denen die Rechnung mit Umsatzsteuer ausgewiesen wurde nicht mehr geändert. Hier ist die Berichtigung im Zeitpunkt der Rechnungskorrekturen durchzuführen. Insoweit gelten die Festsetzungsverjährungsfristen der Abgabenordnung nicht, sonder § 17 UstG ist anzuwenden. Das heißt, es kann in diesem Fall kein Fristversäumnis eintreten. Betreuer die auf den Vergütungsanträgen die Umsatzsteuer nicht ausgewiesen haben unterliegen den Festsetzungsverjährungsfristen der Abgabenordnung. Die Festsetzungsverjährung für die Umsatzsteuer 2005 endet bei Abgabe der Umsatzsteuererklärung in 2006 am 31.12.2010.
Möglicherweise gelingt es den Steuerberatern (der Berufsbetreuer, welche die Umsatzsteuer auf den Vergütungsanträgen ausgewiesen haben) aber auch, mit dem Finanzamt den Verzicht auf die Rechnungskorrektur gegenüber dem Betreuungsgericht auszuhandeln. Und nicht vergessen: solange die Umsatzsteuerbefreiung nicht bestands- oder rechtskräftig festgestellt wurde, auf jeden Fall eine verzinsliche Rücklage aus den derweil anfallenden Umsatzsteuern bilden!