Betreuerbestellung auch nicht gegen den natürlichen Willen des Betroffenen

AG Lübeck: Unbetreubarkeit auch bei wahnhafter Ablehnung der Betreuung

Eine Betreuung ist auch dann gemäß § 1908d Abs. 1 Satz 1 BGB aufzuheben, wenn sie sich wegen ihrer krankheitsbedingten, konsequenten Ablehnung durch den Betroffenen und der dadurch eingeschränkten Wirkungsmöglichkeiten für den Betreuer als übermäßige Belastung für den Betroffenen darstellt. Das Betreuungsgericht Lübeck hat am 16.04.2012 eine Betreuung aufgehoben, deren Ablehnung nicht von einem freien Willen im Sinn des § 1896 Abs. 1 a BGB getragen war (4 XVII H 13700).

Der Widerstand gegen die Betreuung und das Bestreben um ihre Aufhebung war zu einem Zentralbestandteil des Verhaltens des Betroffenen geworden. Wiederholt warf er den Betreuern, die sein Geld einteilten und die Kosten der Unterkunft vom Sozialleistungsträger direkt an Vermieter und Versorgungsträger überweisen ließen, „Terror“, „Misshandlung“ und eine „Aushungerungspolitik“ vor. Der letzte Betreuer wurde wiederholt als „Nazi-Schwein“ beschimpft, gegen ihn wiederholt Strafanzeigen und zahlreiche Eingaben an verschiedenste Beschwerdestellen eingelegt. Dieser hatte aufgrund der weigernden Haltung des Betroffenen wenig Kontakt zu diesem und kannte seinen gesundheitlichen Zustand nicht. Obdachlosigkeit drohte nicht.

Die Betreuung stelle infolge ihrer ständigen konsequenten Ablehnung und Auflehnung dagegen eine derart große und letztlich übermäßige Belastung für den Betroffenen dar, so dass ihr Fortbestand für den Betreuer nicht gerechtfertigt erscheine, begründete das Bettreuungsgericht die Aufhebung. Das Gericht griff auf die vom Bayerischen Obersten Landesgericht in einem Beschluss vom 25.07.1994 (3Z BR 97/94) entwickelte Figur der „Unbetreubarkeit“ zurück: wenn der Betroffene wegen einer psychischen Erkrankung, etwa einer Persönlichkeitsstörung, die Betreuung und jeglichen Kontakt zum Betreuer ablehne und die Betreuung infolge dessen weitgehend wirkungslos bleibe.

Zwar könnten Aufgaben durch den Betreuer auch gegen dessen ablehnenden Willen für den Betroffenen erledigt werden. Wenn diese Ablehnung aber dauerhaft auf einer wahnhaften Verarbeitung einer Betreuung beruhe und die Betreuung auch nicht zur Gesundheitssorge aufrechterhalten werden könne (auch eine langfristige neuroleptische Medikation des Betroffenen scheiterte an dessen fehlender Bereitschaft), sei sie aufzuheben. Dass danach wahrscheinlich weitere Schulden entstehen würden,  müsse hingenommen werden.