Rechtsmittelverzicht betreuter Menschen im Verwaltungsverfahren unbeachtlich

Verwaltungsgericht kritisiert behördlichen Druck auf Betroffene, auf ihre Rechte zu verzichten

Auch ohne Einwilligungsvorbehalt steht gem. § 62 Abs. 4 Verwaltungsgerichtsordnung i.V.m. § 53 ZPO eine sonst prozessfähige Person, die durch einen Betreuer vertreten wird, für den Rechtsstreit einer prozessunfähigen Person gleich. Prozesshandlungen des Betreuers gehen damit den – insoweit unwirksamen – Prozesshandlungen des Betreuten vor: der Betreuer führt den Prozess, nicht der Betreute. Damit erklärte das Verwaltungsgericht Osnabrück in einem Beschluss vom 11.07.2013 (6 B 34/13) einen dem Betreuten abgepressten Rechtsmittelverzicht für unwirksam. Diese Konsequenz gilt auch in den Prozessordnungen der Sozial- und Finanzgerichte sowie in allen Verwaltungsverfahren, sobald der Betreuer gegenüber der Behörde gehandelt hat.

Dem Betroffenen war von der Straßenverkehrsbehörde wegen schwer alkoholisierten Fahrradfahrens das Führen von fahrerlaubnisfreien Kraftfahrzeugen und Fahrzeugen aller Art untersagt und sein Antrag auf Neuerteilung abgelehnt worden. Zuvor wurde der Betreuer aufgefordert, dass der Betroffene auf eigene Kosten ein Fahrtüchtigkeitsgutachten vorlegen sollte, wozu dieser finanziell nicht in der Lage war. Daraufhin wurde der Betreuer vor Ablauf der Klagefrist veranlasst, einen Verzicht auf die Erhebung der Klage zu erklären. Der Aufgabenkreis des Betreuers war mit „Rechts- / Antrags- und Behördenangelegenheiten“ bezeichnet.

Das Verwaltungsgericht kritisierte scharf die – nicht nur – von der Kreisverwaltung Osnabrück geübte Praxis, sich von finanziell minder bemittelten Personen unter Vorgabe von Kostenersparnissen Rechtsmittelverzichtserklärungen unterschreiben zu lassen; vor allem hinsichtlich solcher Personen, von denen eine Betreuerbestellung bereits bekannt war. Mit einem sofortigen Rechtsmittelver¬zicht vor Ablauf der Rechtsbehelfsfrist seien schließlich keine Kostenersparnisse verbunden, so das Verwaltungsgericht. Nach Erhebung von Widerspruch oder Klage fänden bei mittellosen Menschen die gesetzlichen Bestimmungen über die Beratungs- und Prozesskostenhilfe Anwendung, auch für die Beibringung eines Gutachtens.

Über diesen Zusammenhang habe „der in fachlichen Fragen des Verwaltungsrechts unbewanderte Antragsteller auch nur in Ansätzen zuvor die notwendige Aufklärung erfahren“.