Umsatzsteuerpflicht von selbständigen Berufsbetreuern – Handlungsoptionen

Das BFH-Urteil vom 17.02.2009, XI R 67/06 lässt darauf schließen, dass die Umsätze selbständiger Berufsbetreuer möglicherweise von der Umsatzsteuer befreit sind; hilfsweise könnte sich dies ergänzend aus der Mehrwertsteuersystemrichtlinie der EU ergeben. Die Rechtslage ist gegenwärtig nicht abschließend geklärt. Die Finanzverwaltung hält soweit ersichtlich eine Befreiung von der Umsatzsteuer nicht für gegeben, weswegen eine höchstrichterliche Klärung auch für selbständige Berufsbetreuer im Rahmen eines Musterverfahrens angestrebt wird. Die ETL ist insoweit in Zusammenarbeit mit dem BVfB aktiv.

Bis zur Klärung der Rechtslage empfehlen wir den betroffenen Betreuern ihre Rechtsposition zu wahren. D.h. darauf zu achten, dass keine Festsetzungsverjährung eintritt, also die entsprechenden Steuerfestsetzungen auch künftig noch geändert werden können. Die selbständige Führung von Rechtsstreiten dürfte nur im Ausnahmefall empfehlenswert sein. Wir schlagen vor, sich dem von der ETL geführten Musterverfahren anzuschließen, in dem unter Bezugnahme auf die Musterklage das Ruhen des Verfahrens  beantragt wird.

Im einzelnen sollte dazu wie folgt vorgegangen werden:

2005-2008:

(wir unterstellen, dass für diese Jahre die Umsatzsteuerjahreserklärung bereits abgegeben wurde)

Kein akuter Handlungsbedarf. Die Steuerfestsetzungen dürften regelmäßig noch abänderbar sein, da die Umsatzsteuererklärung als Steueranmeldung automatisch unter dem sog. Vorbehalt der Nachprüfung steht. Dies bedeutet, dass die Festsetzung jederzeit geändert werden kann. Handlungsbedarf besteht lediglich dann, wenn, z.B. in Folge einer Betriebsprüfung, der Vorbehalt der Nachprüfung ausgehoben werden soll. Ihr Steuerberater wird dagegen nach Möglichkeit einen Einspruch einlegen.

Grundsätzlich kann formlos ein Berichtigungsantrag auf Änderung der Steuerfestsetzung für diese Jahre dahingehend gestellt werden, dass die Umsätze als steuerfrei berücksichtigt werden. Dieses Vorgehen ist dann vorteilhaft, wenn die in diesem Zeitraum gestellten Vergütungsanträge NICHT als Rechnungen des UStG zu verstehen sind.  Ob die Vergütungsanträge bei den Amtsgerichten eine Rechnung im Sinne des UStG ist und daher eine Rechnungsberichtigung notwendig ist, ist gegenwärtig unklar. Folgt die Finanzverwaltung dem Antrag, wird es die gezahlte Umsatzsteuer abzüglich der seinerzeit in Anspruch genommenen Vorsteuer erstatten. Für das Jahr 2005 müsste ein Berichtigungsantrag spätestens am 31.12.2010 gestellt werden.

Sind die Vergütungsanträge als Rechnung einzustufen, ist zunächst eine Berichtigung derselben dahingehend erforderlich, dass darin keine Umsatzsteuer ausgewiesen wird. Dies kann im Rahmen einer listenförmigen Berichtigung erfolgen. Ein Beispiel dafür werden wir nach Klärung der Frage der Qualifizierung der Vergütungsanträge über den Verband zur Verfügung stellen. In diesem Fall ist die Berichtigung im Rahmen der nächsten fälligen Umsatzsteuer-Voranmeldung zu berücksichtigen. Zu dieser Voranmeldung sollte eine kurze Erläuterung zum Hintergrund der Berichtigung abgegeben werden. Ein Beispiel dazu finden Sie unten.

Wir schlagen vor, mit einem Berichtigungsantrag bzw. der evtl. notwendig werdenden Rechnungsberichtigung zu warten, bis die Frage der Rechnungsqualität des Vergütungsantrages geklärt ist. Dies sollte in den kommenden Wochen erfolgen.

2009:

(wir unterstellen, dass die Umsatzsteuerjahreserklärung noch nicht abgegeben wurde)

Die Umsatzsteuerjahreserklärung ist selbstverständlich abzugeben. Sofern den Vergütungsanträgen keine Rechnungsqualität im Sinne des UStG zukommt (siehe oben, die Klärung bleibt zunächst abzuwarten) sollten steuerfreie Umsätze erklärt werden. In diesem Fall kann keine Vorsteuer in Abzug gebracht bzw. anderweitig berücksichtigt werden.

Sofern den Vergütungsanträgen Rechnungsqualität zukommt, sind diese zunächst zu berichtigen und eine Berücksichtigung hat im Rahmen der Umsatzsteuer-Voranmeldung in 2010 zu erfolgen.

2005 – 2009:

Im – durchaus zu erwartenden – Fall einer Ablehnung der Berichtigung wie erklärt, egal ob im Rahmen eines Berichtigungsantrages oder einer Jahreserklärung oder einer Voranmeldung, sollte gegen die geänderte Festsetzung Einspruch eingelegt und das Ruhen des Verfahrens bis zur Entscheidung über die Musterklage beantragt werden. Hierbei unterstützt Sie Ihr Steuerberater gerne.

2010:

Vergütungsanträge sollten ab sofort ohne Ausweis von Umsatzsteuer erstellt und eingereicht werden. Die Umsätze sollten künftig als steuerfreie Umsätze erklärt und erläutert werden (Muster siehe unten).

Konsequenterweise sollten die Umsätze künftig im Rahmen der laufenden Voranmeldungen als steuerfreie Umsätze flankiert von einem erläuternden Begleitschreiben (Muster siehe unten) erklärt werden.
Im – auch hier durchaus zu erwartenden – Fall einer Ablehnung; konkret einer geänderten Festsetzung durch die Finanzverwaltung, sollte gegen die geänderte Festsetzung Einspruch eingelegt und ebenfalls das Ruhen des Verfahrens bis zur Entscheidung über die Musterklage beantragt werden. Bis dahin sollten die  Umsatzsteuer-Voranmeldungen zur Erreichung des Vorsteuerabzuges wie bisher, also als steuerpflichtige Leistungen, erklärt werden. Eine Änderung kann, ebenso wie für die Jahre 2005-2008 oben dargestellt werden, später noch beantragt werden. Einen ausdrücklichen Vorbehalt zu erklären, ist nicht erforderlich.

Alternativ kann für 2009 und 2010 auch darauf verzichtet werden, zunächst die Steuerfreiheit zu beanspruchen und nur der Ausgang des Musterverfahrens abgewartet werden. In der Zwischenzeit wären in den Erklärungen bzw. Voranmeldungen weiter steuerpflichtige Umsätze anzugeben.

Muster einer ergänzender Erklärungen zur Umsatzsteuer-Jahreserklärung 2009 bzw. zur Umsatzsteuer-Voranmeldung

Bitte wählen Sie die passende Überschrift

[Ergänzend wird zur Umsatzsteuer-Jahreserklärung 2009 auf Folgendes hingewiesen:]

[Ergänzend wird zur Umsatzsteuer-Voranmeldung für …. auf Folgendes hingewiesen:]

Der erklärten Umsätze beruhen auf der Tätigkeit des Unternehmers als selbständiger Berufsbetreuer. Es wird davon ausgegangen, dass diese Tätigkeit von der Umsatzsteuer befreit ist. Diese Befreiung beruht in Ermangelung einer hinreichenden Umsetzung der MwStSystRL; konkret den dort in Art 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL gemachten Vorgaben zur …[..].

Die Richtlinie fordert für eine Befreiung von der Umsatzsteuer zum einen, dass eine eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Leistung erbracht wird. Dies dürfte für Berufsbetreuer außer Frage stehen (vgl. auch BFH-Urteil vom 17.02.2009, XI R 67/06).

Zudem muss die Leistung durch eine anerkannte Einrichtung erbracht werden. Der Begriff der Anerkennung für diese Zwecke ist im Sinne einer richtlinienkonformen Auslegung europarechtlich zu verstehen. Ein Verständnis dahingehend, dass lediglich die in § 23 UStDV genannten anerkannten Verbände der freien Wohlfahrtspflege dem entsprechen würde, ist unzutreffend. Zunächst referenziert die Richtlinie nicht auf „Verbände der Wohlfahrtspflege“ sondern auf „anerkannte Einrichtungen“. Dem entsprechend stünde eine solche Auslegung bereits im Widerspruch zum Wortlaut der Richtlinie. Darüber hinaus ergibt sich auch aus der Zielrichtung der Richtlinie, dem privilegierten Zugang zu bestimmten Dienstleistungen. Dass diese nur über Verbände erbracht werden dürften, sieht die Richtlinie nicht vor. Das Erfordernis der „Anerkennung“ ist hinsichtlich der Form offen gehalten worden, da diese in den verschiedenen Mitgliedstaaten; beispielsweise abhängig davon, wie in einem Mitgliedsstaat die soziale Fürsorge jeweils organisiert ist, unterschiedlich erfolgen kann. Die Anerkennung darüber, dass es sich um eine Einrichtung beispielsweise wie hier zur Sozialfürsorge handelt, kann in verschiedener Form erfolgen. Eine behördliche Anerkennung muss genügen, eine gar gerichtliche Anerkennung, wie dies der Beauftragung eines selbständigen Berufsbetreuers regelmäßig zugrunde liegt, umso mehr.

Dass auch eine natürliche Person eine Einrichtung im europarechtlichen Sinne sein kann, dürfte seit dem EuGH-Urteil vom 07.09.1999, Rs C-216/97 nicht strittig sein.