Betreute können die für sie bestellten Berufsbetreuer in einem Testament wirksam als Erben einsetzen. Nimmt ein Betreuer die Erbschaft an, liegt ein Verstoß gegen eine Berufspflicht vor, der zum Widerruf der Registrierung führen kann

Beschluss des OLG Nürnberg vom 19.7.2023 – 15 Wx 988/23

I.

Ein Berufsbetreuer hatte einen Betreuten bei der Erstellung eines teilweise handschriftlich verfassten Testamentes unterstützt, indem er dem Betreuten einen maschinengeschriebenen Lückentext zur Verfügung gestellt hatte. In dem Text wird darauf hingewiesen, dass der Betreute diese Vorgehensweise gewünscht habe, da er keine längeren Texte mehr handschriftlich verfassen könne.

In dem Testament setzte der Betreute den Berufsbetreuer als Alleinerben ein. Insbesondere das Datum, den Namen und die Anschrift des Betreuers sowie die beiden IBAN-Nummern von zwei Konten ergänzte er in dem Text handschriftlich und unterschrieb das Testament. Der Betreute war unverheiratet und hatte keine Kinder. Ungeklärt blieb, ob der Betreute das vorbereitete Schriftstück in Anwesenheit des Berufsbetreuers handschriftlich ergänzt und unterschrieben hatte.

Nachdem der Betreute verstorben war, beantragte der ehemalige Betreuer die Erteilung eines Erbscheins beim Amtsgericht, der ihm nicht erteilt wurde, weil das Testament als formunwirksam und zusätzlich als sittenwidrig angesehen wurde. Gegen den Beschluss des Amtsgerichts legte der ehemalige Betreuer Beschwerde ein und hatte damit Erfolg. Das OLG Nürnberg hob den Beschluss des Nachlassgerichts auf und wies es an, den beantragten Erbschein zu erteilen.

Das OLG Nürnberg bejaht in seiner Entscheidung die Formwirksamkeit des Testamentes. Nach § 2247 BGB sind Testamente eigenhändig zu erstellen. Dies sei hier der Fall, weil Eigenhändigkeit nicht bedeute, dass der gesamte Text eines Testamentes handschriftlich abzufassen sei. Vielmehr genüge es, wenn sich aus dem handschriftlich verfassten Text die als Erbe eingesetzte Person eindeutig identifizieren und der Gegenstand des zugewendeten Vermögensvorteils hinreichend entnehmen lasse. Dies sei hier jedenfalls hinsichtlich der beiden Konten, die sich anhand der IBAN-Nummern eindeutig bestimmen ließen, der Fall. Als nichtig gemäß § 125 BGB seien vor allem Testamente anzusehen, die ausschließlich aus einem maschinengeschriebenen Text bestünden, der nachträglich vom Erblasser unterschrieben werde. Unter Berufung auf eine ältere Entscheidung des BGH stellt das Gericht fest:

„Nicht vom Formerfordernis der Eigenhändigkeit umfasst sind somit Teile des Testaments, die keine Verfügungen enthalten oder solche, die nicht zum Inhalt des Testaments nach § 2247 gehören. Beispiel hierfür ist die Überschrift bzw. Benennung als Testament, „Letzter Wille“ etc. Auch die Angabe des Namens des Testators ist nicht Inhalt des Testaments.“

Das OLG Nürnberg verneint auch die Nichtigkeit des Testamentes wegen eines Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot (§ 134 BGB). Zwar verstießen Berufsbetreuer, die die Erbschaft einer von ihnen zuvor betreuten Person annähmen grundsätzlich gegen eine Berufspflicht; nämlich § 30 Abs. 1 Satz 2 BtOG. Dies habe nach dem Willen des Gesetzgebers und wegen des Vorrangs der Testierfreiheit aber nicht die Unwirksamkeit des Testamentes zur Folge. Insoweit habe der Gesetzgeber bewusst eine andere Wertung vorgenommen als für Mitarbeiter von Heimen und Pflegeeinrichtungen (vgl. § 14 HeimG). In diesem Zusammenhang beruft sich das Gericht auf die Gesetzesbegründung zu § 30 BtOG, in der es heißt:

 „Das Verbot für berufliche Betreuer ist anders konstruiert, sodass diese auch bei sogenannten „stillen“ Testierungen, also wenn sie von dem Testament zu Lebzeiten des Betreuten keine Kenntnis hatten, die Zuwendung dennoch nicht annehmen dürfen“.

Folglich gelangt das Gericht zu dem Ergebnis, dass das vererbte Vermögen gemäß § 1922 BGB mit dem Tod des Betreuten auf den Berufsbetreuer übergegangen sei. Dennoch bliebe die Regelung in § 30 Abs. 1 Satz 2 BtOG nicht ohne Konsequenzen, da die Annahme der Erbschaft Auswirkungen auf die Zuverlässigkeit eines Berufsbetreuers habe und zum Widerruf der Registrierung nach § 27 Abs. 1 Nr. 1 BtOG führen könne (vgl. Leipold ZEV 2021, 485: „Völlig zahnlos ist das Annahmeverbot … gleichwohl nicht. … Die Gefahr, andernfalls nicht mehr als beruflicher Betreuer tätig sein zu können, wird den Betreuer wohl in vielen Fällen dazu bewegen, die erbrechtliche Zuwendung auszuschlagen“.).

Schließlich beschäftigt sich das Oberlandesgericht mit der im vorliegenden Fall eher nachrangigen Frage, ob sich die Nichtigkeit aus der Sittenwidrigkeit des Testamentes ergeben könnte (§ 138 BGB) und weist auch in diesem Zusammenhang vorab auf die hohe Bedeutung der Testierfreiheit hin. Nur in absoluten Ausnahmefällen könne die Sittenwidrigkeit angenommen werden. Als möglichen Beispielsfall schildert das Gericht einen Sachverhalt, über den das OLG Celle im Jahr 2021 zu entscheiden hatte, der von dem vorliegenden Fall jedoch in wesentlichen Punkten abweicht:

Das OlG Celle hatte die Sittenwidrigkeit eines Testamentes bejaht, bei dessen Errichtung eine Berufsbetreuerin ihren Einfluss auf einen älteren, kranken, alleinstehenden und leicht beeinflussbaren Erblasser gezielt dazu ausgenutzt hatte, um diesen dazu zu bewegen, vor einer von ihr herangezogenen Notarin in ihrem Sinne letztwillig zu verfügen. Selbst diese Wertung des OLG Celle war in der Literatur auf Widerspruch gestoßen, weil die gesetzlichen Regelungen in den §§ 134, 2078, 2079 BGB als ausreichend angesehen werden, um den Erblasser hinreichend zu schützen.

Im Ergebnis lässt das OLG Nürnberg diese Frage offen, da ein besonderer Einzelfall wie der vom OLG Celle hier nicht festgestellt worden war. Anderenfalls werde die gesetzgeberische Wertung des § 30 BtOG, der gerade nicht als gesetzliches Verbot im Sinne des § 134 BGB ausgestaltet sei, unterlaufen. Es läge vielmehr ein Fall vor, in dem die „Hilfestellung“ des Betreuers, nachdem sich konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen von Anfechtungsgründen nach §§ 2078, 2079 BGB nicht ergeben hätten, hinzunehmen ist.

II.

Die Entscheidung wirft einige schwierige juristische Wertungsfragen auf, die ihren Ursprung in dem Spannungsverhältnis zwischen dem Recht auf Selbstbestimmung und der Schutzpflicht des Staates haben. Passend zur Reform des Betreuungsrechts geht das Gericht bei der Frage nach den Grenzen der Selbstbestimmung – hier in Form der Testierfreiheit – sehr weit. Gegenstand der Prüfung sind jedoch Regelungen aus dem allgemeinen Teil des Bürgerlichen Gesetzbuches und nicht aus dem Betreuungsrecht; insbesondere die §§ 134, 138 BGB. Ob diese Vorschriften ausnahmslos für kognitiv schwer beeinträchtigte Menschen gelten sollten oder der Staat den Mut haben sollte, zum Schutz dieser Menschen einzugreifen, ist eine politische Frage. Der Zeitgeist spricht derzeit eine deutliche Sprache pro Selbstbestimmung, so dass mit einem besseren Schutz in den kommenden Jahren nicht zu rechnen ist. Der Triumphzug der Selbstbestimmung zulasten der Fürsorge ist derzeit politisch und auch gesellschaftlich offenbar gewollt und wird nur vereinzelt kritisch hinterfragt.

Dennoch sind selbstverständlich Fallkonstellationen vorstellbar, bei denen die Erbeinsetzung eines Berufsbetreuers durch den Betreuten gewollt, angemessen und sinnvoll ist. Ob der vorliegende Fall, über den das OLG Nürnberg zu entscheiden hatte, dazu gehört, lässt sich allein anhand des geschilderten Sachverhaltes nicht beurteilen. Berufsbetreuern ist jedoch zu raten, in solchen Fällen eine transparente Vorgehensweise zu wählen, indem sie eine Ausnahme von dem Annahmeverbot des § 30 Abs. 1 BtOG nach § 30 Abs. 3 BtOG beantragen. Dadurch vermeiden sie nicht nur einen Verstoß gegen eine Berufspflicht, sondern auch einen faden Beigeschmack.