Der Anspruch von Bestandsbetreuern auf Registrierung besteht auch bei Zweifeln der Stammbehörde an der Zuverlässigkeit des Antragstellers

Beschluss des Verwaltungsgerichts Weimar vom 04.10.2023 – 8 E 1125/23 We

I.

Die Stammbehörde hatte den Antrag einer Betreuerin, die zum 01. Januar 2023 bereits seit über drei Jahren als Berufsbetreuerin tätig war (sogenannte Bestandsbetreuerin) mit der Begründung abgelehnt, es bestünden Zweifel an ihrer Zuverlässigkeit. Außerdem ordnete die Behörde den Sofortvollzug der Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO an. Gegen die Versagung der Registrierung legte die Betreuerin Widerspruch ein und beantragte beim Verwaltungsgericht die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs. Mit dem Antrag bei Gericht hatte sie Erfolg. 

Das Verwaltungsgericht wies auf den eindeutigen Wortlaut des § 32 Abs. 1 Satz 2 BtOG hin, nach dem die Zuverlässigkeit bei einem Registrierungsantrag von Bestandsbetreuern von der Stammbehörde nicht zu überprüfen ist. Stattdessen käme es für die Registrierung von Bestandsbetreuern allein darauf an, dass der Antragsteller die in § 24 Abs. 1 Nrn. 1-2 BtOG genannten Unterlagen (Führungszeugnis / Auszug aus dem Schuldnerverzeichnis), einen Nachweis über eine Berufshaftpflichtversicherung und einen Gerichtsbeschluss über eine aktuell geführte Berufsbetreuung vorlegt sowie die in § 32 Abs. 1 Satz 4 BtOG genannten Angaben über die Organisationsstruktur und den zeitlichen Umfang seiner Tätigkeit macht. 

Zwar habe grundsätzlich im Eilverfahren (vorläufiger Rechtsschutz) eine Abwägung des öffentlichen Interesses an der Aufrechterhaltung des Sofortvollzugs und den individuellen Interessen der Antragstellerin (Berufsbetreuerin) zu erfolgen. Auf eine Abwägung käme es im vorliegenden Fall aber nicht an, weil die Ablehnung des Registrierungsantrages offensichtlich rechtswidrig gewesen sei. Im Einzelnen führt das Gericht dazu aus:

„Bei der Vorschrift des § 32 BtOG handelt es sich um eine Übergangsregelung für bereits berufsmäßig tätige Betreuer. Der Gesetzgeber hat es aufgrund der Regelung in § 7 Abs. 1 VBVG, die durch den Verweis auf § 19 Abs. 2 BtOG den Vergütungsanspruch des Berufsbetreuers an die Registrierung anknüpft, für erforderlich gehalten, dass mit Inkrafttreten des BtOG auch alle Bestandsbetreuer zu registrieren sind (…). Aus Überlegungen einerseits des Bestandsschutzes (…) und andererseits zur Entlastung der für die Registrierung zuständigen Stammbehörden wurde für Bestandsbetreuer in § 32 BtOG ein vereinfachtes Registrierungsverfahren geschaffen. Dieses ist dadurch geprägt, dass Bestandsbetreuer lediglich verschiedene Dokumente (…) einreichen müssen (…). 

Das Gericht ist der Auffassung, dass die Stammbehörde an diese Begrenzung des Prüfungsumfangs bei der Registrierung von Bestandsbetreuern gebunden ist. Zwar wird in der Literatur die Auffassung vertreten, dass die Stammbehörde bei Zweifeln an der Zuverlässigkeit eines Bestandsbetreuers nicht gezwungen werden könne, einen aus ihrer Sicht ungeeigneten Betreuer zu registrieren (…). Diese Auffassung, die auch der Antragsgegner teilt, widerspricht aber dem Wortlaut des § 32 Abs. 1 Satz 2 BtOG und dem in der Begründung deutlich genannten Willen des Gesetzgebers. Vielmehr soll eine Registrierung gemäß § 32 BtOG auch dann erfolgen, wenn die Behörde im Registrierungsverfahren Zweifel an der Zuverlässigkeit des Bestandsbetreuers hat. Dass solche Zweifel aufkommen können, hat das Gesetz selbst im Blick, indem der Bestandsbetreuer auch im Registrierungsverfahren nach § 32 BtOG verschiedene Unterlagen vorzulegen hat, die geeignet sein können, Zuverlässigkeitszweifel zu begründen – zum Beispiel das Führungszeugnis. Allerdings soll die Behörde dann nicht die Registrierung ablehnen können, sondern soll in die Lage versetzt werden, ein Widerrufsverfahren gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 1 BtOG einzuleiten. Diese gesetzgeberische Regelungskonstruktion ist – entgegen der Ansicht des Antragsgegners – nicht widersinnig. Denn die Feststellung einer Unzuverlässigkeit ist das Ergebnis einer Prognoseentscheidung, bei der aufgrund von für die Vergangenheit festgestellten Tatsachen zukünftige Verstöße gegen Berufspflichten im Sinn einer Wahrscheinlichkeit zu befürchten sein müssen (st. Rspr. des Gerichts, z. B. Urteil vom 16.10.2019, 8 K 1470/18 We; ausführlich zu dem Prognosevorgang: Kling/Schwabenbauer, BayVBl. 2011, 399). (…)

In dem streitgegenständlichen Bescheid hat der Antragsgegner (Stammbehörde) die Registrierung der Antragstellerin (Bestandsbetreuerin) wegen des Fehlens der persönlichen Eignung und Zuverlässigkeit im Sinn von § 23 Abs. 1 Nr. 1 BtOG abgelehnt. Auf das Vorliegen der Zuverlässigkeit kommt es hier nicht an, da die Antragstellerin eine Bestandsbetreuerin ist, auf die bezüglich des Registrierungsverfahrens die Regelungen des § 32 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 BtOG Anwendung finden. Damit ist es für die Registrierung gemäß § 32 Abs. 1 Satz 1 BtOG unerheblich, ob die Antragstellerin zuverlässig ist oder nicht. (…) Im Ergebnis hat die Antragstellerin einen Anspruch, gemäß § 32 BtOG registriert zu werden, und die Ablehnung der Registrierung ist rechtswidrig.“

II.

Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Weimar läutet eine längst überfällige Rechtsprechung zur Berufszulassung rechtlicher Betreuer ein (vgl. auch Verwaltungsgericht Magdeburg, Beschluss vom 22.05.2023, 2 B 139/23 MD). Während die Berufszulassung rechtlicher Betreuer bis zum 31.12.2022 durch die sogenannte 10er-Regelung weitgehend den Betreuungsbehörden überlassen worden ist, hat der Gesetzgeber im Zuge der Reform des Betreuungsrechts erkannt, dass sowohl der Grundsatz der Gewaltenteilung als auch die verfassungsrechtlich geschützte Berufsfreiheit eine gerichtliche Überprüfung behördlicher Entscheidungen über die Registrierung von Berufsbetreuern erforderlich macht. Von den Stammbehörden werden daher zukünftig begründete und rechtlich überprüfbare Entscheidungen verlangt, wenn sie Betreuern die Registrierung versagen.    

Von besonderer Bedeutung wird in diesem Zusammenhang zukünftig voraussichtlich der vorläufige Rechtsschutz („Eilverfahren“) sein. Denn wenn die Stammbehörde – zum Beispiel zum Schutz der potentiell betreuten Personen vor ungeeigneten Betreuern – die sofortige Vollziehung ihrer Entscheidung anordnet, hat ein Widerspruch gegen die Versagung der Registrierung keine aufschiebende Wirkung, mit der Folge, dass den betroffenen Betreuern kein Vergütungsanspruch zusteht, sie also faktisch ihren Beruf nicht ausüben können. Da die Verwaltungsgerichte über Klagen in der Hauptsache häufig erst nach mehreren Jahren entscheiden, gebietet es der effektive Rechtsschutz, dass Berufsbetreuer in einem Eilverfahren zügig eine vorläufige gerichtliche Entscheidung erstreiten können. Im Eilverfahren entscheiden die Gerichte ohne eine förmliche Beweisaufnahme und nehmen lediglich eine summarische Prüfung vor. Stellt sich bei dieser Prüfung heraus, dass – wie hier – ein Verwaltungsakt (Bescheid über die Versagung der Registrierung) offensichtlich rechtswidrig ist, liegt die Entscheidung auf der Hand: Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs ist wiederherzustellen und ggf. (vgl. Regelungsanordnung nach § 123 VwGO) die Behörde verpflichtet, den Antragsteller bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache zu registrieren; mit der Folge, dass bis dahin ein Vergütungsanspruch besteht.

Die offensichtliche Rechtswidrigkeit, die sich hier einerseits aus dem Wortlaut des § 32 Abs. 1 BtOG und andererseits aus dem mit dieser Regelung verfolgten Zweck ergab, dürfte zukünftig eher die Ausnahme darstellen. Vor allem wenn über Registrierungsanträge von Berufseinsteigern – also keinen Bestandsbetreuer – entschieden wird, wird es zukünftig eher um den Nachweis der Sachkunde und Fragen der persönlichen Eignung gehen, die – wie das Verwaltungsgericht Weimar andeutet – von einer schwierigen Prognoseentscheidung abhängen. Lassen sich diese Fragen bei einer summarischen Prüfung nicht abschließend klären, geht es um die ebenfalls in der Entscheidung erwähnte Abwägung. Inhaltlich wird das Ergebnis dieser Abwägung vom Interesse des Staates und der zu betreuenden Personen an einer fachlich kompetenten und zuverlässigen Betreuung einerseits und dem Recht des Antragstellers auf freie Berufswahl andererseits abhängen. In diesem Zusammenhang dürfte es eine Rolle spielen, ob die Betreuertätigkeit in Vollzeit oder nebenberuflich ausgeübt wird. Weiterhin müsste von Bedeutung sein, dass der Betreuungsbehörde bzw. dem Betreuungsgericht verglichen mit der Versagung der Registrierung, das mildere Mittel zur Verfügung steht, einen Berufsbetreuer im Einzelfall zum Schutz der betreuten Person nicht vorzuschlagen bzw. nicht zu bestellen. In zahlreichen Fällen dürfte daher die Versagung der Registrierung unverhältnismäßig sein.  

 Es bleibt zu hoffen, dass die Verwaltungsgerichte bei der Abwägung der Berufsfreiheit den Stellenwert einräumen, wie bei anderen Berufen. Der vom Verwaltungsgericht festgesetzte Streitwert von 2.5000 Euro deutet leider darauf hin, dass dem Gericht die Bedeutung der Entscheidung für die Antragstellerin nicht bewusst war. Im Streitwertkatalog des Bundesverwaltungsgerichts ist für vergleichbare Fälle (Berufsberechtigung / freie Berufe) ein Streitwert von mindestens 15.000,00 Euro vorgesehen. 

Gegen Ende seiner Entscheidung deutet das Verwaltungsgericht Weimar an, dass bei Zweifeln an der Zuverlässigkeit eines Bestandsbetreuers selbstverständlich die Möglichkeit bestünde, die Registrierung nach § 27 Abs. 1 BtOG zu widerrufen. Gegen einen solchen Widerruf der Registrierung, könne erneut das Rechtsmittel des Widerspruchs und im Fall der Anordnung des Sofortvollzugs auch der Rechtsschutz gemäß § 80 Abs. 5 VwGO ergriffen werden.