Die Beachtung des Amtsermittlungsgrundsatzes durch die Betreuungsgerichte wird vom Bundesgerichtshof nur im Hinblick auf mögliche Rechtsfehler überprüft

– Beschluss des BGH vom 14.07.2021 – XII ZB 135/21 –

Das Betreuungsgericht hatte die Anordnung einer rechtlichen Betreuung für eine Person abgelehnt, die bereits im Jahr 2017 eine Vorsorgevollmacht für ihre Geschwister und im Jahr 2020 eine notariell beurkundete Vorsorge- und Generalvollmacht zugunsten weiterer Personen erteilt hatte. Die sich daraus ergebenden Unklarheiten hatten die Geschwister zum Anlass genommen, die Anordnung einer rechtlichen Betreuung beim zuständigen Amtsgericht anzuregen. Die Ermittlungen des Amtsgerichts ergaben, dass die Errichtung einer Betreuung nicht erforderlich wäre. Die hiergegen gerichteten Beschwerden wurden vom Landgericht zurückgewiesen. Auch die dagegen eingelegte Rechtsbeschwerde der Geschwister blieb erfolglos.

Eine Betreuung kann nicht angeordnet werden, wenn der Betroffene über einen freien Willen verfügt und die Errichtung einer Betreuung nicht wünscht. Solange die Ermittlungen des Gerichts (Stellungnahme der Betreuungsbehörde /Anhörung des Betroffenen u.a.) keine Hinweise dafür ergeben, dass der Betroffene geschäftsunfähig sein könnte, ist die Anordnung einer Betreuung nicht statthaft. Insoweit bestand aus Sicht der Richter auch keine Veranlassung, ein Sachverständigengutachten einzuholen, da die Fähigkeit zur freien Willensbildung unzweifelhaft erschien. § 280 Abs. 1 Satz 1 FamFG verpflichtet nach seinem Wortlaut das Gericht nur dann zur Einholung eines Sachverständigengutachtens, wenn das Verfahren mit einer Betreuerbestellung oder der Anordnung eines Einwilligungsvorbehaltes endet.  Wird davon Abstand genommen, ist die Einholung eines Gutachtens nach § 280 Abs. 1 Satz 1 FamFG nicht zwingend erforderlich. Insoweit ist zu beachten, dass das Gericht die Entscheidung zu treffen hat, ob hinreichende Anhaltspunkte für die Anordnung einer Betreuung vorliegen und das Verfahren weiterverfolgt wird. In welchem Umfang das Gericht Tatsachen zu ermitteln hat, richtet sich nach § 26 FamFG. Danach hat das Gericht von Amts wegen die zur Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen erforderlichen Ermittlungen durchzuführen (Amtsermittlungsgrundsatz). Dem erkennenden Gericht ist die Entscheidung vorbehalten, welchen Weg es für geeignet hält, die zur Entscheidung erforderlichen Kenntnisse zu erhalten. Solange das Landgericht alle maßgeblichen Gesichtspunkte in Betracht gezogen hat und die Würdigung auf einer ausreichenden Sachverhaltsaufklärung beruht, sind keine Rechtsfehler vorhanden, die eine Rechtsbeschwerde begründen könnten.

Die Entscheidung verdeutlicht, dass der BGH die Beschlüsse der Tatgerichte (Amtsgericht / Landgericht) nur auf Rechtsfehler hin überprüft. Hätten sich nach der Anhörung des Betroffenen und der Stellungnahme der Betreuungsbehörde Zweifel an der Fähigkeit zur freien Willensbildung ergeben, hätte der BGH die Entscheidung des Landgerichts aufheben und eine weitere Aufklärung des Sachverhaltes – beispielsweise durch Einholung eines Sachverständigengutachtens – veranlassen müssen. Da diese Zweifel nicht bestanden, der Betroffene nach der Einschätzung des Landgerichts also offenbar wollte, dass seine Vertretung sowohl von den Geschwistern als auch von weiteren Personen übernommen wird, war der BGH an die Auffassung des Landgerichts insoweit gebunden. Abweichend könnte man den Fall beurteilen, wenn die Bemühungen zur Aufklärung des Sachverhaltes offensichtlich nicht ausreichend sind. Die Entscheidung ist letztlich auch ein Beleg dafür, dass das Betreuungsrecht nicht dafür herhalten muss, eine rechtlich problematische Vertretungsregelung zu korrigieren, die Ausdruck des Selbstbestimmungsrechtes einer Person ist. Für das „Chaos“, das sie dadurch möglicherweise anrichtet, ist sie selbst verantwortlich.