BGH errichtet immer höhere Hürden für die Bestellung von Betreuungen und Einwilligungsvorbehalten
Wenn bei einer schubförmig verlaufenden psychischen Erkrankung bereits wenige Wochen nach der Aufhebung der Betreuung wieder eine Betreuerbestellung erforderlich erscheint, müsse das ganze Verfahren einschließlich eines medizinischen Sachverständigengutachtens durchgeführt werden, so der BGH in einem Beschluss vom 19.10.016 – XII ZB 387/16. Gegen die Aufhebung der Betreuung sei der Betreuer im Übrigen nicht im eigenen Namen beschwerdebefugt, so der BGH.
Nach der Aufhebung der Betreuung war eine geschlossene Unterbringung erforderlich. Gegen die Neubestellung der Betreuung legte der Betroffene Beschwerde ein. Zu Recht, befand der 12. BGH-Senat: das Betreuungsgericht habe ein komplettes Bestellungsverfahren einschließlich der Einholung eines medizinischen Gutachtens gem. § 280 FamFG durchführen müssen. Die einstweilige Anordnung einer vorläufigen Betreuung mit einem ärztlichen Attest gem. § 300 FamFG hat der BGH nicht erörtert.
Angesichts der flächendeckend schon bestehenden Überlastung der Betreuungsgerichte und qualifizierter Gutachter sind die Folgen dieser Entscheidung absehbar: bis nach einer Betreuungsaufhebung das nächste Bestellungsverfahren abgeschlossen werden kann, ist der Krankheitsschub und damit die Betreuungsbedürftigkeit wieder vorüber. Folglich werden für Betroffenen Verfahren gar nicht mehr eingeleitet, auch wenn rechtliche Stellvertretungsbedürftigkeit bestehen sollte. In einer jüngst veröffentlichten Entscheidungsanmerkung im „Rechtsdienst der (Bundesvereinigung der) Lebenshilfe“ (Nr. 2/17, S. 94) wird auf angeblich besser geeignete „andere Hilfen“ ohne Stellvertretungsbedürfnis wie die von Sozialpsychiatrischen Diensten verwiesen – und ansonsten eine Patientenverfügung empfohlen, mit der die gewünschte Behandlung während es Krankheitsschubes festgelegt werden könnte.
Auch für die Bestellung von Einwilligungsvorbehalten hat der 12. BGH-Senat eine neue hohe Hürde errichtet: das Betreuungsgericht muss künftig auch ausdrücklich feststellen, ob der Betroffene sich mit freiem Willen verschulden will, weil auch ein EV nicht gegen den freien Willen bestellt werden dürfe. Auch der Betroffene, der sich permanent in neue Schulden stürze, habe schließlich das verfassungsmäßige Recht auf Selbstschädigung, so der BGH in einem Beschluss vom 17. Mai 2017 – XII ZB 495/16.