– Beschlüsse des BGH vom 28.03.2018 (XII ZB – 334/18) und 03.02.2021 (XII ZB 181/20) –
I.
Der BGH hat seine Rechtsprechung zur Eignung rechtlicher Betreuer bekräftigt. Danach setzt die Eignung rechtlicher Betreuer eine einzelfallbezogene Prüfung der persönlichen und der fachlichen Eignung voraus (§ 1897 Abs. 1 BGB). In den zitierten Entscheidungen ging es um die persönliche Eignung eines Betreuers, der eine sexuelle Beziehung mit von ihm betreuten weiblichen Personen eingegangen war. In einem Fall (Beschluss vom 28.02.2018) wurde die Entscheidung des Landgerichts, den Betreuer aus dem Amt zu entlassen, bestätigt in dem anderen Fall (Beschluss vom 03.02.2021) wurde sie aufgehoben.
Das Gericht führt in den Entscheidungsgründen aus, dass sich aus dem Wortlaut des § 1897 Abs. 1 BGB:
„Zum Betreuer bestellt das Betreuungsgericht eine natürliche Person, die geeignet ist, in dem gerichtlich bestimmten Aufgabenkreis die Angelegenheiten des Betreuers rechtlich zu besorgen und ihn in dem hierfür erforderlichen Umfang persönlich zu betreuen“
zweifelsohne ergibt, dass der Begriff der Eignung eines Betreuers eine fachliche und eine persönliche Komponente beinhaltet. Beide Komponenten – sowohl die fachliche als auch die persönliche – sind zur Klärung der Geeignetheit eines Betreuers umfassend durch das Betreuungsgericht zu überprüfen.
Die Beurteilung, ob eine bestimmte Person als rechtlicher Betreuer eines konkret Betroffenen geeignet ist, erfordert mithin die Prognose ob der potentielle Betreuer voraussichtlich die sich aus der Betreuungsführung und den damit verbundenen Pflichten im Sinne des § 1901 BGB und den hieraus sich ergebenen Anforderungen umfassend erfüllen kann. Diese Prognoseentscheidung hat durch das Betreuungsgericht zu erfolgen und es ist durch das Gericht zu klären, ob in dieser konkreten Betreuung die zu erwachsenden Aufgaben vom vorgeschlagenen Betreuer ordnungsgemäß erfüllt werden können. In die Entscheidung hat das Gericht Erkenntnisse mit einzubeziehen, die in der Vergangenheit des potentiellen Betreuers wurzeln. Soweit es um die Eignung der vorgeschlagenen Person geht, müssen die zu treffenden Erkenntnisse einen das Wohl des Betroffenen gefährdenden Eignungsmangel auch für die Zukunft und bezogen auf den von der Betreuung umfassten Aufgabenkreis begründen können. Dies hat zur Folge, dass in der Vergangenheit liegende Verfehlungen eines Betreuers nur dann zur Versagung der Ernennung führen können, wenn diese auf die konkrete Betreuungsführung Auswirkungen haben. Diese Umstände hat das Gericht – wohl auch im Hinblick auf die Berufsfreiheit – bei seiner Auswahlentscheidung festzustellen und angemessen zu berücksichtigen. Fehlt es an einer nachvollziehbaren und vertretbaren Bewertung der Umstände des Einzelfalles und wird der rechtliche Betreuer daraufhin entlassen, ist diese Entscheidung rechtswidrig und im Beschwerdeverfahren aufzuheben.
In dem der Entscheidung vom 03.02.2021 zugrundeliegenden Verfahren wurden durch das Betreuungsgericht und das im Beschwerdeverfahren zuständige Landgericht die rechtlich relevanten Umstände (sexuelle Beziehungen zu einer Betreuten) in unvollständig festgestellt und unverhältnismäßig bewertet. Daher wurde die Entscheidung aufgehoben und das Verfahren zur erneuten Behandlung an das Landgericht zurückverwiesen. Der Bundesgerichtshof begründete seine Entscheidung zum einen mit den über zehn Jahren zurückliegenden sexuellen Kontakten zu einer Betreuten und wies zusätzlich darauf hin, dass jedenfalls bei der Betreuung männlicher Personen nicht ohne weiteres auf die fehlende fachliche Eignung des Betreuers geschlossen werden könne.
Die Verneinung der persönlichen Eignung des rechtlichen Betreuers in dem Beschluss vom 28.03.2018 ergab sich daraus, dass der rechtliche Betreuer sich selbst zur Fortführung der Betreuung auf Grund fehlender professioneller Distanz nicht in der Lage sah und für seine zwischenzeitlich abweichende Einschätzung der Geeignetheit keine nachvollziehbaren Gründe ersichtlich waren. Außerdem lagen die sexuellen kontakte nicht bereits seit 10 Jahren zurück und ging es um die Fortführung Betreuung für die weibliche Person, zu der er zuvor die sexuellen Kontakte unterhalten hatte. Aus diesem Sachverhalt schloss der BGH letztlich auch, dass die Entlassung des rechtlichen Betreuers keinem Berufsverbot gleichkomme, da er beispielsweise weiterhin geeignet sein könne, männliche Personen rechtlich zu betreuen.
II.
Grundsätzlich zu begrüßen ist, dass der Bundesgerichtshof mit dem Hinweis auf ein drohendes Berufsverbot einen konkreten Zusammenhang zur verfassungsrechtlich verbürgten Berufsfreiheit rechtlicher Betreuer herstellt. Aus diesem Hinweis kann nur geschossen werden, dass zum einen Art. 12 GG bei der Prüfung der Eignung zur Betreuungsführung im Einzelfall eine zentrale Bedeutung zukommt und zum anderen die Prüfung nicht zu einer generellen Eignungsprüfung ausarten darf. Insoweit mahnt der BGH eine gründliche Prüfung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit an.
Zukünftig – nämlich mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts am 01.01.2023 – dürfte im Hinblick auf den Sachkundenachweis (fachliche Eignung) und die Prüfung der persönlichen Eignung durch die zuständige Behörde die Frage problematisch werden, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen die Betreuungsgerichte überhaupt noch eine Ungeeignetheit rechtlicher Betreuer im Einzelfall feststellen können, wenn doch zuvor die Behörde die grundsätzliche Eignung zur Berufsausübung festgestellt hat. Die Prüfung der einzelfallbezogenen Eignung rechtlicher Betreuer wird ab dem 01.01.2023 in § 1816 Abs.1 BGB geregelt sein:
„Das Betreuungsgericht bestellt einen Betreuer, der geeignet ist, in dem gerichtlich angeordneten Aufgabenkreis die Angelegenheiten des Betreuten nach Maßgabe des § 1821 rechtlich zu besorgen und ins besondere in dem hierfür erforderlichen Umfang persönlichen Kontakt mit dem Betreuten zu halten.“
Die Regelung beinhaltet in erster Linie Aspekte, die bereits bei der Prüfung der grundsätzlichen Eignung zur Betreuungsführung als Voraussetzung für die Registrierung zu berücksichtigen sind. Dass trotz grundsätzlicher Eignung die Gerichte die Eignung im Einzelfall ablehnen, dürfte eine seltene Ausnahme darstellen, die im Hinblick auf Art. 12 GG einer ausführlichen Sachverhaltsermittlung und gründlichen Prüfung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bedarf. Zöge man eine Parallele zur Ärzte- oder Anwaltschaft würde die Entscheidung bedeuten, einem Arzt die Behandlung eines Patienten trotz Approbation bzw. einer Rechtsanwältin die Annahme eines Mandates trotz Zulassung zur Anwaltschaft zu versagen. Ohne konkrete und gründlich recherchierte Anhaltspunkte wird daher eine Verweigerung der Bestellung zum rechtlichen Betreuer wegen fehlender persönlicher Eignung kaum in Betracht kommen. Nach Auffassung des BVfB wäre jedenfalls die persönliche Eignung registrierter Betreuer zu vermuten.
Vollkommen offen bleibt, wie sich in diesem Zusammenhang die Aufgabe des objektiven Wohlbegriffs auswirkt. Denn wenn es zukünftig (fast) nur noch auf Wunsch und Wille der betreuten Person ankommen soll, würde jede Äußerung der Betreuten, einen Betreuer nicht zu entlassen, der zu ihr eine sexuelle Beziehung unterhält, einen Betreuerwechsel nahezu unmöglich machen. Hierfür wäre eine erhebliche Gefährdung für die betreute Person festzustellen. Darüber hinaus müsste geklärt werden, ob die betreute Person wegen der Anlasserkrankung bzw. -behinderung diese Gefahr nicht erkennen kann. Ob der Staat damit seinem Schutzauftrag in allen Fällen gerecht werden kann, darf jedenfalls bezweifelt werden.
Eine Anmerkung zum Schluss: Es bleibt zu hoffen, dass Betreuungsbehörden zukünftig bei der Prüfung der grundsätzlich erforderlichen persönlichen Eignung Sachverhalte ermitteln, die eine Einschätzung der Frage ermöglichen, ob rechtliche Betreuer grundsätzlich in der Lage sind, die zur Berufsausübung erforderliche Distanz zu den von ihnen betreuten Personen zu wahren. Diese Distanz dürfte ein wesentlicher Unterschied zur ehrenamtlichen Betreuung von Angehörigen darstellen, die sich in zahlreichen Fällen positiv für die betreute Person auswirkt.