Sozialgerichte stoppen Aufrechnungsautomatik der Jobcenter

Widersprüche einlegen bis zu abschließenden Entscheidungen

Ein Ende der selbst angemaßten Aufrechnungsbefugnisse der Jobcenter zeichnet sich ab, die das Existenzminimum der Leistungsberechtigten und ihr Recht auf anwaltliche Beratung gefährden. Bis zu den endgültigen Entscheidungen des Bundessozialgerichts sollten Betreuer Widersprüche einlegen; diese haben in Aufrechnungsfällen entgegen § 39 SGB II  doch aufschiebende Wirkung.

Seit 2011 rechnen die Jobcenter die Tilgung von Mietkautionsdarlehen wieder gegen den Regelbedarf auf. Wenn Alg2-Bezieher eine Kaution benötigen, führt das regelmäßig zu einer längerfristigen Unterdeckung des Regelbedarfes in Höhe von monatlich 10%. An dieser Praxis hat das Bundessozialgericht Zweifel geäußert, wie die Kanzlei „Sozialrecht in Freiburg“ mitteilte.

Vom LSG Berlin-Brandenburg hatte der 31. Senat gegen die Anwendbarkeit des § 42a SGB II auf Mietkautionsdarlehen entschieden (Urteil vom 20.20.2013, L 31 AS 1048/13), der 10. Senat dafür. Das Bundessozialgericht hat nun in einem Einzelfall festgestellt, dass das Jobcenter die Tilgungsraten für das Mietkautionsdarlehen nicht einbehalten durfte – ohne dies allerdings genauer zu begründen: Der Senat hege “Zweifel, ob Mietkautionsdarlehen – jedenfalls bedingungslos – der Regelung des § 42a Abs. 2 S. 1 SGB II unterfallen” (B 4 AS 11/14 R). Endgültig wird das BSG in der Sache B 4 AS 14/15 R entscheiden.

Berufsbetreuer können über die Mietkautionen Darlehensverträge abschließen und Aufrechnungen akzeptieren, diese Verträge werden  insoweit für nichtig erklärt werden. Gegen jede durchgeführte Aufrechnung sollte Widerspruch eingelegt werden, der aufschiebende Wirkung hat, die ggf. mit einem Antrag auf einstweilige Anordnung wiederhergestellt werden muss. Das Darlehen wird dann, wie vom Gesetzgeber beabsichtigt, erst mit Freigabe der Kaution durch den Vermieter zurückgezahlt.

Ähnlich auch das Vorgehen der Jobcenter, wenn mit der Einlegung eines erfolgreichen Widerspruchs ein Rechtsanwalt beauftragt wird und gem. § 63 SGB X das Jobcenter die Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erstatten muss. Wenn das Jobcenter noch irgendwelche Erstattungsforderungen gegen den Widerspruchsführer hat, wird aufgerechnet und die Anwälte bleiben auf ihren Honoraransprüchen sitzen.

Gegen diese Praxis hat sich nun das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz mit Urteil vom 6. Mai 2015 (L 6 AS 288/13) gewandt. Da Alg2-Empfänger das Anwaltshonorar für ein Widerspruchsverfahren nicht aus ihren Regelleistungen zahlen können, haben sie einen Anspruch auf Befreiung von den Verbindlichkeiten gegenüber ihren Anwälten durch das Jobcenter. Deswegen sei die Aufrechnung unzulässig, so das LSG in Mainz: der Befreiungsanspruch und die Erstattungsforderungen des Jobcenters sind rechtlich nicht gleichartig i.S. der §§ 387ff. BGB.

Auch hier gilt: Widerspruch gegen eine Aufrechnungserklärung einlegen und dessen aufschiebende Wirkung mit einem Antrag auf einstweilige Anordnung beim Sozialgericht unter Verweis auf die LSG-Entscheidung einlegen.