Vergütungsrecht: Auch während der Haft kann sich der gewöhnliche Aufenthalt eines Betreuten noch in der eigenen Wohnung befinden

Beschluss des Landgerichts Krefeld vom 05.11.2020 – 7 T 168/20

Das Landgericht Krefeld hat entschieden, dass durch eine Strafhaft in einer Justizvollzugsanstalt (JVA) von sieben Monaten noch kein gewöhnlicher Aufenthalt in einem Heim i.S.v. § 5 Abs. 3 VBVG begründet wird. Der Entscheidung lag die Streitfrage zugrunde, nach welcher Vorschrift sich die Vergütung eines rechtlichen Betreuers richtet, wenn dessen Betreuter eine Strafhaft während einer Betreuung verbüßt. Durch die Staatskasse wurde im zugrunde liegenden Verfahren von einer Gleichbehandlung von Inhaftierten mit Bewohnern in Heimen ausgegangen und der gewöhnliche Aufenthalt des Inhaftierten in der JVA angenommen. Diese Ansicht wurde durch das Landgericht Krefeld nicht geteilt.

Der BGH hat bereits mit Beschluss vom 14.12.2011 – XII ZB 521/10 – entschieden, dass bei einem Aufenthalt eines Betreuten in einer JVA nicht zwangsläufig von einem gewöhnlichen Aufenthalt in der Justizvollzugsanstalt auszugehen ist und die besonderen Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen sind. Jedoch sei in diesen Fällen zu berücksichtigen, dass häufig der Aufwand für eine rechtliche Betreuung geringer sei, sodass auch eine geringere Vergütung gerechtfertigt sein könne. Insbesondere werde durch die Anstalt Unterkunft und Verpflegung sowie umfangreiche soziale, gesundheitliche und tatsächliche Fürsorge zur Verfügung gestellt.

Nach § 5 VBVG ist der pauschal zu vergütende Zeitaufwand von der Dauer der Betreuung, dem Aufenthalt des Betreuten und den Vermögensverhältnissen der betreuten Person abhängig.

Den gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne des VBVG begründet jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Es handelt sich um den Ort, an dem eine Person sozial integriert ist und ihren auf längere Zeit angelegten tatsächlichen Lebensmittelpunkt hat. Auf den Willen, den Aufenthaltsort zum Mittelpunkt der Lebensverhältnisse zu machen, kommt es nach der Rechtsprechung nicht an.

Entgegen der Ansicht der Staatskasse ist die Rechtsprechung des BGH nicht so auszulegen, dass allein der Umstand, dass die betreute Person sich in einer JVA aufhält, automatisch zu einer Einstufung und Gleichstellung mit „Heimbewohnern“ führt. Es ist anhand eines jeden Einzelfalles zu prüfen, ob die betreute Person einen neuen gewöhnlichen Aufenthalt in der JVA begründet hat oder nicht.

Im zugrunde liegenden Verfahren betrug die verhängte Freiheitsstraße 7 Monate und bestand die Möglichkeit einer Entlassung vor Ablauf von 7 Monaten (sogenannte „Gute Führung“ – Aussetzung der Reststrafe zur Bewährung). Daher war ein Aufenthalt von unter 6 Monaten in der JVA wahrscheinlich. Der Betreute hatte zudem seine Wohnung beibehalten und hierdurch die Möglichkeit, als auch seinen Wunsch zum Ausdruck gebracht, an seinen bisherigen Aufenthaltsort zurückzukehren. Bei einem derartigen Sachverhalt kann nicht davon ausgegangen werden, dass der gewöhnliche Aufenthalt der betreuten Person in der JVA begründet wurde und somit war die Herabsetzung der Vergütung und Einstufung als „Bewohner in einem Heim“ nicht korrekt.

Als Kriterien für einen gewöhnlichen Aufenthalt spielt sicher die Dauer des Aufenthaltes eine zentrale Rolle und kann man als Faustformel wohl ab einem zu erwartenden Aufenthalt von 6 – 9 Monaten davon ausgehen, dass an dem Ort, an dem man sich tatsächlich befindet, in der Regel auch der gewöhnliche Aufenthalt begründet wird. Als weiteres wichtiges Kriterium sollte jedoch zusätzlich darauf abgestellt werden, ob nach einer Entlassung jederzeit eine Rückkehr in die eigene Wohnung möglich ist, was grundsätzlich ein starkes Indiz dafür ist, dass der bisherige Lebensmittelpunkt noch nicht aufgegeben wurde. Dies sollte vor allem gelten, wenn weiterhin Post an die Anschrift des Betreuten versandt wird, die von Betreuern zu bearbeiten oder an den Betreuten weiterzuleiten ist. Schließlich dürfte eine vorläufige Inhaftierung wegen eines Haft- oder Unterbringungsbefehles – also vor der rechtskräftigen Verurteilung – gegen einen gewöhnlichen Aufenthalt in der JVA sprechen, da Haft- und Unterbringungsbefehle unverzüglich aufzuheben sind, wenn die Voraussetzungen für die Freiheitsentziehung entfallen sind.

Zwar ist der Heimbegriff durch das am 27.07.2019 in Kraft getretene Vormünder- und Betreuervergütungsgesetz weggefallen und durch den Begriff der stationären Einrichtung ersetzt worden. Jedoch dürfte die Rechtsprechung ohne Weiteres auch zukünftig Anwendung finden, da es für die anzuwendende Fallpauschale bei einem Aufenthalt des Betreuten in einer Justizvollzugsanstalt nicht auf die Art der Einrichtung ankommt, sondern darauf, ob ein Aufenthalt dort als gewöhnlich anzusehen ist.