Vermögende Betreute müssen ihren Angehörigen ausgeliefert werden, auch wenn sie ihre Berufsbetreuer behalten wollen

Landgericht Kleve erkennt auf Vorrang für Ehrenamtlichkeit um jeden Preis

Vor wem müssen vermögende Betreute geschützt werden – vor akquisitionsstarken Berufsbetreuern, machtbewussten Angehörigen oder Betreuungsrichtern, die ihr Wohl und ihre Wünsche nicht richtig abwägen können?

Diese Frage wirft die Entscheidung der 4. Beschwerdekammer des Landgerichtes Kleve (vom 23. Mai 2016, 4 T 39/16) auf, wonach der Vorrang der ehrenamtlichen Betreuung auch dann gelte, wenn der Betreute die Bestellung eines Berufsbetreuers wünscht, dessen Vergütung er aus seinem Vermögen zahlen könnte.

Nach sechs Jahren Betreuung durch einen Berufsbetreuer wollte die Tochter der Betroffenen (die unter einer leichten kognitiven Störung und einer chronischen psychotischen Störung leidet) gemeinsam mit ihrem Bruder zu Betreuern bestellt zu werden. Sie sähen sich nunmehr zeitlich in der Lage, das Betreueramt zu übernehmen.

Das Amtsgericht bestätigte die Bestellung des Berufsbetreuers, das Landgericht gab der Beschwerde der Angehörigen statt, obwohl die bemittelte Betroffene in beiden Instanzen ausdrücklich erklärte, den Berufsbetreuer behalten zu wollen.

Auch wenn die Betreute diesen Wunsch habe und sie den Berufsbetreuer aus ihrem Vermögen bezahlen könne, sei dies nicht bindend, meinte das LG Kleve. Die Begründung dafür ist sehr fragwürdig: es sei unerheblich, ob der Betroffene noch geschäftsfähig sei. „…Soweit dies der Fall ist, wäre der Betroffene noch in der Lage, den Berufsbetreuer rechtsgeschäftlich zu bevollmächtigen und mit ihm eine Vergütungsvereinbarung zu schließen, so dass der Vorrang der ehrenamtlichen Betreuung nach § 1897 Abs. 6 BGB ihn nicht in unzulässiger Weise in seiner Freiheit einschränkt…“ Den Betreuungsrichtern hat sich offenbar noch nicht die rechtliche Möglichkeit erschlossen, dass auch innerhalb der Vermögenssorge der Betroffene in Bezug auf eine Angelegenheit betreuungsbedürftig sein könnte, aber nicht zwingend in Bezug auf andere Angelegenheiten.

Weiterhin behaupten die Richter der 4. Kammer des LG Kleve, dass die Betreute die Konsequenz der Vergütungspflicht gegenüber dem Berufsbetreuer nicht mehr überblicken könne und daher ihr Wunsch ihren objektiven Interessen zuwiderlaufe. Der Tatbestand des Beschlusses erwähnt jedoch nicht, ob die Vergütungspflicht überhaupt Thema bei den beiden Anhörungen war und wie sich die Betroffenen dazu jeweils geäußert hat. Ob dieses Versäumnis zur Aufhebung der Entscheidung führt, wird das Verfahren über die zugelassene Rechtsbeschwerde zeigen.

Dagegen hatte das Oberlandesgericht Jena am 18.09.2000 (6 W 489/00) den Vorrang der ehrenamtlichen Betreuung vor der beruflich geführten mit dem Ziel begründet, die Bestellung überqualifizierter Betreuer zu vermeiden und die Staatskasse bei Mittellosigkeit von Betreuten zu schonen. Davon sei eine Abweichung zulässig, z.B. wenn ein bemittelter Betroffener das möchte oder bei enger persönlicher Bindung des Betroffenen an den von ihm vorgeschlagenen Berufsbetreuer; § 1897 Abs. 6 S. 1 BGB sei als „Soll-Vorschrift“ ausgestaltet. Im dem vom LG Kleve entschiedenen Fall lag keine enge persönliche, über das vom Betreuungsrecht geforderte Maß der persönlichen Betreuung hinausgehende, Beziehung zwischen der Betroffenen und dem Berufsbetreuer vor.

Das Kammergericht Berlin hatte in einem Beschluss vom 27.06.2006 (1 W 36/06) hingegen für einen mittellosen Betroffenen wunschgemäß den Berufsbetreuer bestellt, weil ein verfügbarer ehrenamtlicher Betreuer sich als ungeeignet erwies.