Voller Regelsatz für behinderte und pflegebedürftige Sozialhilfeempfänger, wenn sie im Haushalt von Freunden oder Angehörigen versorgt werden

Nachzahlungsansprüche seit dem 1.1.2013 geltend machen

Erwachsenen Personen in einem gemeinsamen Haushalt steht jeweils der Regelbedarf der Regelbedarfsstufe 1 (100 %) zu. Das Bundessozialgericht hat am 23. Juli 2014 in drei Verfahren (B 8 SO 14/13 R, 31/12, 12/13) entschieden, dass es nicht maßgeblich sei, ob ein eigener Haushalt vollständig oder teilweise geführt werde. Es genüge vielmehr, dass der Leistungsberechtigte einen eigenen Haushalt gemeinsam mit einer Person   gegebenenfalls mit Eltern oder einem Elternteil   führt, die nicht sein Partner ist. Geklagt hatten eine pflegebedürftige Frau, die von einer Freundin versorgt wird, sowie zwei geistig behinderte Menschen, die bei ihren jeweiligen Müttern leben.

Sozialhilfeempfänger erhalten seit 2011 Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem 3. und 4. Kapitel gem. § 27a Abs 3 und  Anlage zu § 28 SGB XII nur noch in Höhe der Regelbedarfsstufe 3 (80 %), wenn sie als erwachsene Leistungsberechtigte weder einen eigenen Haushalt noch als gemeinsam mit Ehegatte, Lebenspartner oder in eheähnlicher/ lebenspartnerschaftsähnlicher Gemeinschaft einen gemeinsamen Haushalt führen. Das BSG hält es für einen Verstoß gegen das Grundgesetz und die UNO-Behindertenrechtskonvention, Sozialhilfeleistungen von den individuellen Fähigkeiten in einer Haushaltsgemeinschaft abhängen.

Es müsse für die vollen Leistungen ausreichen, wenn Menschen sich „im Rahmen der jeweiligen geistig-seelischen und körperlichen Leistungsfähigkeit“ an der Haushaltsführung beteiligen, so das BSG. Die „Regelbedarfsstufe 3“ komme nur in wenigen Fällen in Betracht, bei denen Menschen keinerlei Beitrag zum gemeinsamen Haushalt leisten können. Der 8. Senat des Bundessozialgerichts lässt offen, ob dies etwa bei Komapatienten der Fall sein kann.

Bei einer Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung kommt eine rückwirkende Leistungsgewährung gem. § 44 SGB X seit dem 1.1.2013 in Betracht. Berufsbetreuer sollten mit entsprechenden Überprüfungsanträgen die Differenz zwischen 80 und 100 % für die Leistungszeiträume der letzten 19 Monate geltend machen.