Frau Eff, Berufsbetreuerin… und das rechtsradikale Gedankengut
„Frau Eff, warum kriege ich denn keinen neuen Gefrierschrank vom Jobcenter? Die Neger aus Afrika kriegen hier doch auch alles, was die wollen“ motzt mir mein Klient Herr K. entgegen, während er sich eine Zigarette dreht. Immer wieder kommt er mit den krudesten, rassistischen und rechtsradikalen Gedanken, um seine vermeintliche Benachteiligung im deutschen Sozialsystem zu veranschaulichen.
Wenige Stunden später klingelt das Telefon und ich habe die Nachbarin eines Betreuten am Apparat, die mich nach Tipps fragt, wie sie das Sozialamt über ihre Vermögensverhältnisse täuschen kann, damit sie keinen Unterhalt für ihren Sohn zahlen muss.
Als ich ihr mitteile, dass ich sie keinesfalls diesbezüglich beraten werde, setzt sie zu einer Hetztirade gegen Ausländer und „Asylanten“ an, die nämlich daran schuld seien, dass sie jetzt ihr sauer verdientes Geld an ihren 19-jährigen Sohn abdrücken müsse, der seine Lehre als Metzger nur deshalb abgebrochen habe, weil der Chef so streng war, und man den armen Jungen überfordert habe.
Frau M. wiederum, eine auch für ihre Nachbarn sicher nicht leicht zu ertragende Frau, kann mir genau erklären, wieso Deutschland am Abgrund steht und warum sie psychisch krank ist. „Die lassen hier alle rein, die bei sich zuhause nur Ärger machen, Zigeuner, Islamisten, die ganzen Terroristen. Hier schön unser Geld kassieren und sich auf die faule Haut legen. Die zerstören unsere Religion, und die Deutschen werden von Gott verlassen. Wenn es hier ruhiger wäre, müsste ich auch nicht so viele Medikamente nehmen.“
Andere Klienten wollen sich in der Klinik nicht behandeln lassen, weil der Arzt angeblich einen jüdischen Namen hat. Nachbarn werden als „Schwarzfüße“ beschimpft, man empört sich über die Schule, die in der Kantine das Schweinefleisch kennzeichnet, und Herr A. zeigt mir das frisch gestochene Tattoo mit Nazisymbolen. Ich habe damit Schwierigkeiten, und zwar große. Alle meine Klienten leben anders als ich und vertreten auch in vielen Bereichen eine andere Meinung. Das souverän zu akzeptieren und ihnen dazu zu verhelfen, dass sie das Leben führen können, das sie wollen, ist meine Aufgabe. Es ist nicht meine Aufgabe, mit den Leuten zu diskutieren, wie sie ihre Kinder erziehen, wie sie ihre Wohnung einrichten, mit wem sie befreundet sind oder welche Musik sie hören. Bei all den oben genannten Beispielen ist die strafrechtliche Grenze nicht überschritten, also müsste ich auch hier Ohren und Augen zuklappen und mich auf meine Zuständigkeit konzentrieren. Ich ertrage es aber nicht, so zu tun, als hätte ich diesen rechtsradikalen Schwachsinn nicht gehört. Immer wieder verstricke ich mich in kleine Scharmützel der politischen Erwachsenenbildung, um wenigstens Position zu beziehen.
Wie würde ich reagieren, wenn ein neuer Klient sich als überzeugter Neonazi outen würde? Oder als alter Nazi? Grundsätzlich bin ich der Ansicht, dass auch solche Menschen selbstverständlich ein Recht auf rechtliche Betreuung haben. Aber durch mich?