Keine Ausschlussfrist für Erstattung von Betriebskostennachzahlungen

Betreuer haftet nicht für verspätete Vorlage von Nachzahlungsforderung bei Grundsicherungsträger

Der Sozialhilfeträger darf keine Frist für die Vorlage einer Betriebskosten-Nachzahlungsabrechnung setzen, nach deren Ablauf die Erstattung der vom Vermieter geforderten Summe gegenüber dem Leistungsempfänger und dessen Betreuer verweigert werden dürfte. Das Bundesozialgericht bestätigte (Entscheidung vom 10. November 2011, B 8 SO 18/10 R) eine Entscheidung des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen, mit der in einem Fall einer betreuten Grundsicherungsempfänger den Leistungsträger zur Übernahme der Nachzahlungsforderung verurteilt wurde (Urteil vom 19. April 2010, L 20 SO 18/09).

Im entschiedenen Fall hatte die Berufsbetreuerin den Nachzahlungsbetrag zunächst aus dem Schonvermögen gezahlt, um keinen Ärger mit dem Vermieter zu provozieren, die Rechnung dann zunächst vergessen und sie erst ein halbes Jahr später dem Sozialamt vorgelegt. Die Erstattung wurde verweigert mit dem Hinweis auf die von der Betreuerin für ihre Klientin unterschriebene Vereinbarung  mit dem Sozialhilfeträger: “…Soweit sich aus meinem Mietvertrag jährliche Nebenkostenabrechnungen ergeben, werde ich auch diese umgehend, d.h. spätestens bis zur Fälligkeit bzw. 4 Wochen nach Erhalt der Rechnung, dem Sozialamt zur Überprüfung vorlegen. Ansonsten besteht grundsätzlich kein Anspruch auf Übernahme dieser einmaligen Kosten aus Mitteln der Sozialhilfe…”

Im Klageverfahren hatte das Sozialamt die Auffassung vertreten, Grundsicherungsleistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII würden gem. § 44 SGB XII für jeweils ein Jahr bewilligt. Eine Betriebskostennachforderung stelle gegenüber den in Höhe der bewilligten Abschlagszahlungen festgestellten Kosten der Unterkunft eine Änderung der Verhältnisse dar und müsse gem. § 60 SGB I sofort mitgeteilt werden. Demgegenüber stellte das LSG klar, dass angemessene Betriebskostennachforderungen zu den als Zuschuss zu übernehmenden einmaligen Unterkunftskosten gehörten und daher keine geänderten Verhältnisse darstellten. Daher stellten beide Regelungen keine Grundlage für eine Verwirkung des Nachzahlungsanspruches bei vermeintlich verspäteter Beantragung dar.

Mangels Vermögensschadens der Mieterin gibt es daher im entschiedenen Fall keinen Anhaltspunkt für pflichtwidriges Verhalten ihrer Betreuerin und demzufolge auch kein betreuerisches Haftungsrisiko. Weil das Bundessozialgericht die Rechtsnatur der Betriebskosten-Nachzahlungsforderung für das SGB II und das SDGB XII (3.und 4. Kapitel) einheitlich bestimmt hat, findet die Entscheidung auch auf Alg-2-Empfänger Anwendung.

Wenn ein Leistungssachbearbeiter eine Befristungsvereinbarung ähnlich wie oben vorlegen sollte, kann der Betreuer darüber entscheiden, ob sofort sozialgerichtliche Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit einer solchen Vereinbarung eingelegt oder diese unterzeichnet und erst bei Vorlage einer Nachzahlungsforderung auf Erstattung geklagt wird.