Scheinbare Einschränkung der BGT-Position auf Eilfälle
Die Sparbemühungen der Länderjustizminister haben Unterstützung beim Betreuungsgerichtstag e.V. (BGT) gefunden.
Der BGT veröffentlicht „Überlegungen“ zum Thema seiner stellvertretenden Vorsitzenden Dr. Andrea Diekmann, Vizepräsidentin des Landgerichts Berlin. Diekmann begrüßt dabei die Position der Justizministerkonferenz zur Einführung eines Angehörigenvertretungsrechts im Aufgabenbereich der Gesundheitssorge.
Während die Justizminister bisher die Vertretungsbefugnis zur Einwilligung oder Nichteinwilligung in ärztliche Maßnahmen auf Ehegatten und Lebenspartner beschränken wollen, hält Diekmann eine Ausweitung der Befugnis auf volljährige Kinder gegenüber ihren Eltern für zulässig. Die Justizminister wollen die Vertretungsbefugnis der Angehörigen auch auf die mit der Gesundheitssorge zusammenhängende Bereiche wie den Abschluss erforderlich werdender Rechtsgeschäften und die Geltendmachung von an den Krankheitsfall, Unfall oder Pflegefall geknüpften Sozial-, Versicherungs- oder Beihilfeleistungen. Diekmann äußert sich dazu nicht.
Vertretungsbefugte Angehörige sollen nach der BGT-Position für den Fall, dass keine Patientenverfügung oder Vorsorgevollmacht zur Gesundheitssorge vorliegt, an den mutmaßlichen Willen des Betroffenen gebunden sein. Für erforderliche Erklärungen gegen den Willen der Betroffenen bei der Gefahr krankheitsbedingter Selbstschädigungen solle hingegen ein Betreuungsverfahren eingeleitet werden.
Nur scheinbar stellt jedoch die Forderung, dass die Angehörigen nur in Eilfällen vertretungsbefugt sein sollen, eine Beschränkung dar: der größte Teil der Fälle von Vertretungsnotwendigkeit für nicht einwilligungsfähige Betroffene ist dringlich und spielt sich nicht etwa ein paar Wochen später ab. Eine gesetzliche Präzisierung des Begriffes „Eilfall“ würden die Länderjustizminister nicht akzeptieren, weil damit der Zweck der Angehörigenvertretung, der Spareffekt durch deutlich weniger Betreuerbestellungen, verfehlt würde.
So werden im Zweifel Betreuungsrichter mit dem schlichten Hinweis an ihre Betreuungsbehörde, dass auch in Eilfällen Betreuerbestellungen mehrere Tage oder Wochen dauerten, diese dazu veranlassen, alle Betreuungsanregungen mit Gesundheitsbezug „abzuwimmeln“.
Abzuwarten bleibt, ob die kommunalen Spitzenverbände im Gesetzgebungsverfahren fordern werden, dass die Betreuungsbehörden Zugriffe auf die Personenstandsregister und Datenbanken der Jugendämter und Unterhaltsvorschussstellen bekommen müssten, damit auch alle räumlich entfernten Angehörigen aufgespürt und zur Abgabe von Erklärungen zu ärztlichen Maßnahmen genötigt werden können.