Kommunale Spitzenverbände zweifeln am Sinn des 4. Betreuungsrechtsänderungsgesetzes
Nicht die durch Vorsorgevollmachten, „andere Hilfen“ oder durch Bestellung von Angehörigen, Nachbarn oder anderen Ehrenamtlichen zum Betreuer relativ einfach zu handhabenden Fälle machten dem Betreuungswesen zu schaffen, sondern die steigende Zahl multikomplexer Problemfälle, die einer umfassenden beruflichen rechtlichen Betreuung bedürften. Mit dieser Feststellung stellen der Deutsche Landkreistag und der Deutsche Landkreistag in ihrer Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Funktionen der Betreuungsbehörde die Grundlage des Regelungskonzepts des Bundesjustizministeriums in Frage.
Die zunehmenden multikomplexen Fälle wiesen große finanzielle, soziale, gesundheitliche Defizite, vielfältige finanzielle Ansprüche, Mietstreitigkeiten, Suchtprobleme, diverse gerichtliche Streitigkeiten etc. auf, die häufig nur durch professionelle rechtliche Betreuer mit entsprechenden Fachkenntnissen hinreichend vertreten werden könnten, so die kommunalen Spitzenverbände. Eine „Vermittlung“ dieser schwierigen Klientel an andere Stellen im Sinne von anderen Hilfen sei unzureichend und vertretungsrechtlich nicht zielführend.
Der vom Referentenentwurf des BMJ erweckte Eindruck, dass die Betreuungszahlen gestiegen seien, weil von den Gerichten der Erforderlichkeitsgrundsatz nicht ausreichend beachtet werde, sei in dieser Absolutheit unzutreffend. Vielmehr bemerkten die Sozialämter schon heute, dass zunehmend versucht werde, eigentliche Betreuerleistungen auf ambulante Hilfen oder stationäre Einrichtungen abzuwälzen, betonen die Spitzenverbände in ihrer Stellungnahme.
Gleichzeitig bezweifeln die Verbände, dass eine Pflicht der Betreuungsbehörden zur Erstelllung eines Sozialberichtes und zur Vermittlung anderer Hilfen tatsächlich zur Vermeidung von rechtlichen Betreuungen und Stärkung der Selbstbestimmung der Betroffenen führen. Im „Standard“-Betreuungsfall erfolge die Betreuungsanregung durch Krankenhäuser, Seniorenberatungsstellen, Pflegeeinrichtungen, Heime oder nahe Angehörige. Im Regelfall befänden sich die Betroffenen dann bereits in einem Hilfesetting und in einem fortgeschrittenen oder akuten Krankheitsstadium. Vorherige niedrigschwellige Hilfen hätten nicht ausgereicht oder seien von den Betroffenen nicht akzeptiert worden. Die Notwendigkeit der Einrichtung einer Betreuung, und zwar ohne unnötige zeitliche Verzögerung, sei dann aufgrund des rechtlichen Vertretungsbedarfs regelmäßig gegeben.
Die Fälle, in denen Betroffene oder Angehörige zur Beratung in die Betreuungsbehörde kämen oder im Rahmen eines Hausbesuchs (nach Betreuungsanregung) aufgesucht würden und in denen noch Spielraum für Beratung und Vermittlung anderer Hilfen bestünde, seien dagegen zahlenmäßig geringer.
Landkreistag und Städtetag widersprechen auch der Annahme des Referentenentwurfs, wonach die Betreuungsbehörden bisher in rd. 80 % der Fälle der Betreuerbestellung beteiligt worden seien. Vielmehr sei eher von einer durchschnittlichen Beteiligung von 40 % bis 50 % der Fälle auszugehen.
Da die Kommunalen Spitzenverbände im Gegensatz zum Bundesverband freier Berufsbetreuer e.V. von einem gesetzestreuen Verhalten der anderen Betreuungsbehörden ausgehen, befürchten sie, dass diese künftig einen „ganz erheblichen personellen Mehraufwand“ betreiben müssten. Für die qualifizierte Aufstockung des Betreuungsbehördenpersonals benötigten die Kommunen jedenfalls mehr Zeit. Daher solle das Gesetz erst zum 1.1.2014 in Kraft treten, regen die Verbände an.