Fallschwierigkeiten der Betreuungsfälle können nach Diagnosen eingeteilt werden

Gesundheitswissenschaftler Prof. Dr. Röttgers legt Grundlage für ein differenziertes Vergütungssystem

Erstmals vor zehn Jahren hat im Vorfeld des 2. Betreuungsrechtsänderungsgesetzes eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe, ohne weitere Begründung, behauptet, zwischen den die Betreuungsbedürftigkeit begründenden Diagnosen und der Schwierigkeit des Betreuungsfalles sowie dem Zeitaufwand des Betreuers gebe es keinen Zusammenhang. Seitdem wiederholen Politiker, Vertreter der Justiz und auch der Sozialen Arbeit geradezu reflexhaft diese Position, wenn  über eine andere, an den tatsächlichen Fallschwierigkeiten  orientierte Vergütungsstruktur diskutiert wird.

Die Auffassung ist jedoch falsch, wie Prof. Dr. Hanns-Rüdiger Röttgers, Sozialpsychiater und Gesundheitswissenschaftler an der Hochschule Münster in einem Gutachten im Auftrag des BVfB nachweist. Röttgers, langjährig als Betreuungsgutachter tätig, teilt die wichtigsten Betreuungsdiagnosen in zwei Gruppen höherer und niedrigerer Fallschwierigkeit ein. Die Diagnosen, die einen höheren Betreuer-Zeitaufwand bedürfen, beschränken sich nach dem ICD-10 auf F 10-19, F 20-29, F 30-31, F 50.0 und 50.1 sowie F 60.2, 60.3. und 60.4.: schizophrene und schizoaffektive Psychosen, wahnhafte sowie manische und bipolare affektive Störungen, externalisierende Persönlichkeitsstörungen nach Cluster-B, Abhängigkeitserkrankungen und Anorexia nervosa. Alle anderen Betreuungsdiagnosen lösten, klar abgrenzbar, einen geringeren Betreuungsaufwand aus, so Röttgers.

Die Einschätzung des betreuerischen Aufwands anhand der Diagnose verläuft völlig unabhängig von den gesetzlichen  Kriterien  „Wohnform“ und „Dauer der Betreuung“ und ist wesentlich trennschärfer als diese, stellt Prof. Röttgers fest. Eine Fallschwereeinstufung, die sich auf die betreuungsbegründenden Diagnosen stützt, sei ohne weiteren individuellen Untersuchungs- und Bewertungsaufwand möglich und sinnvoll. Damit könnte sofort ein neues Vergütungssystem ohne weiteren Zeitaufwand bei der Justiz gesetzlich geregelt werden.