Rechtliche Assistenz kann Betreuung nur ergänzen, nicht ersetzen

Klare Positionsbestimmungen zum 1. Tag des freien Berufsbetreuers

„Rechtliche Assistenz im Sinne von Artikel 12 der UNO-Behindertenrechtskonvention kann und darf rechtliche Betreuung nur ergänzen, nicht ersetzen. Assistenzleistungen kommen für alle, nicht nur für die wesentlich behinderten Menschen im Sinne von § 2 SGB IX in Betracht. Zur Erfüllung des durch die Konvention eingeräumten Anspruchs auf rechtliche Assistenz existiert bisher jedoch keinerlei Infrastruktur.“ Mit diesen Thesen bewertete der 1. Vorsitzende des Bundesverbandes freier Berufsbetreuer (BVfB) in Erkner (bei Berlin) die Idee, mit einem System von Beratung und Unterstützung die rechtliche Betreuung behinderter Menschen ersetzen zu wollen, als realitätsfern.

Der erste vom BVfB veranstaltete „Tag des freien Berufsbetreuers“ war als zweitägige Fachtagung der Strukturreform im Betreuungswesen und den Auswirkungen der UNO-BRK auf die Betreuung gewidmet. Die mehr als 100 Teilnehmern, fast ausschließlich selbständige Berufsbetreuer aus dem ganzen Bundesgebiet, verfolgten aufmerksam die Beiträge der Referenten und diskutierten sie engagiert und diszipliniert. Dr. Bernd Schulte, wissenschaftlicher Referent am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Sozialrecht in München und einer der „Väter“ des Betreuungsgesetzes 1992, prüfte die Regelungen der §§ 1896, 1902, 1904 und 1906 BGB auf ihre Vereinbarkeit mit der Konvention und kam zum Ergebnis, dass im Betreuungsrecht lediglich punktuell Anlass bestehe, eine „korrigierende“ und „engere“ Auslegung einzelner Regelungen in Betracht zu ziehen.

Ulrich Hellmann von der Bundesvereinigung Lebenshilfe plädierte für  mehr Rechtstaatsachenforschung zur täglichen Praxis der Eingriffe in die Rechte behinderter Menschen, um daraus Schlüsse für gesetzgeberischen Handlungsbedarf ziehen zu können. Ein ausnahmsloses Verbot rechtlicher Vertretung könne aus Art. 12 nicht gefolgert werden. Dieser führe jedoch mit dem klaren Paradigmenwechsel von der Vertretung zur Assistenz zu einem erhöhten Rechtfertigungsdruck für die Zulässigkeit rechtlicher Stellvertretung, so Hellmann.

Dem BVfB-Vorsitzenden Wittrodt zufolge liege die Vermischung von Betreuung und rechtlicher Assistenz auch nicht im Interesse der Berufsbetreuer. Die Ausübung der Befugnisse rechtlicher Stellvertretung im Rahmen der Betreueraufgabenkreise erfordere unabhängigkeitssichernde Vorkehrungen (in der Verantwortung der Betreuungsgerichte und Betreuungsbehörden), die den Kern des Betreuerberufes ausmachten, so Wittrodt. Demgegenüber würde die marktförmig und gerichtsfern zu verwirklichende rechtliche Assistenz schnell eine Domäne der Träger sozialer Arbeit, weil Unterstützungsdienstleistungen von Wohlfahrtsverbänden effektiver ausgeübt werden könnten, als von einzelnen selbständigen „Betreuungsmanagern“ im Nebenberuf. Unter dem Beifall der Teilnehmer forderte Wittrodt, dass die Professionalisierung des Betreuerberufes weiter Vorrang vor der Ausweitung geringer wertiger Betätigungsmöglichkeiten behalten müsse.