Rechtliche Stellvertretung ist mit der UNO-Behinderten-rechtskonvention vereinbar

BVfB-Vorsitzender kritisiert Position der Lebenshilfe zur Reform des Betreuungsrechts

„Artikel 12 der UNO-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen („Gleiche Anerkennung vor dem Recht“) enthält einen Vorrang von Unterstützungsmaßnahmen zur Ausübung der Rechts- und Handlungsfreiheit vor stellvertretendem Handeln. Dieses bleibt aber zulässig bei Vorhandensein von mißbrauchsverhindernden Sicherungen, wie im deutschen Betreuungsrecht geregelt. Die Behauptung der Bundesvereinigung der Lebenshilfe für Menschen mit Behinderungen e.V. in ihrer Stellungnahme zum Nationalen Aktionsplan zur UNO-BRK, die Stellvertretung im Recht, die Menschen mit Behinderungen von der eigenständigen Wahrnehmung ihrer Rechte ausschließe, sei mit Art. 12 unvereinbar, ist falsch und für einen Verband, der Träger vieler Betreuungsvereine ist, unverantwortlich“, erklärte der Vorsitzende des Bundesverbandes freier Berufsbetreuer e.V., Helge Wittrodt.

Auch wenn nach der persönlichen Meinung derer, die mit der Formulierung des Art. 12 der Konvention befasst waren, die rechtliche Stellvertretung durch Unterstützungshandlungen ersetzt werden sollte, werde dies durch Abs. 3 des Artikels nicht vorgeschrieben. Vielmehr setze Abs. 4 gerade voraus, dass auch rechtliche Stellvertretung menschenrechtskonform sei, wenn sie gegen Missbrauch gesichert sei, so Wittrodt.

Der Hinweis der Bundesvereinigung der Lebenshilfe in ihrer Stellungnahme zum Nationalen Aktionsplan auf die Empfehlungen des  UNO-Ausschusses für Behindertenrechte zum Staatenbericht Tunesiens gehe ebenso fehl, betonte der BVfB-Vorsitzende. Dort werde zwar formuliert, dass rechtliche Regelungen eines Vertragsstaates, die die Möglichkeit eröffnen, dass Dritte für einen Menschen stellvertretende Entscheidungen treffen, durch Regelungen zu ersetzen seien, die sich darauf beschränkten, dem Menschen zu helfen, eine Entscheidung zu treffen. Die Rechtslage in Tunesien nach Art. 6 des „Code des obligations et des contrats“ (Dekret vom 15. Dezember 1906), sehe demgegenüber eine Entmündigung bei Geschäftsunfähigkeit und „sozial inakzeptablen Verhalten“ sowie die gerichtliche Einsetzung eines Vormundes („curateur“) vor, so Wittrodt. Damit entspreche das tunesische Recht in etwa dem deutschen Vormundschafts- und Pflegschaftsrecht -vor -1992. Trotz entsprechender Hinweise des UNO-Ausschusses habe die tunesische Regierung keine Absicht erkennen lassen, daran etwas zu ändern. Der Wille des Ausschusses gehe aber sicherlich nicht dahin, dass Tunesien  mit dem Entmündigungsinstrument gleich jegliche rechtliche Stellvertretung abschaffen solle, statt z.B. das deutsche Modell in Erwägung zu ziehen, meinte der BVfB-Vorsitzende Wittrodt.

Die Instrumente der Stellvertretung bei situativer Geschäftsunfähigkeit und des Einwilligungsvorbehaltes stellten inzwischen für viele Menschen mit geistigen und psychischen Behinderungen, Demenz-und Suchterkrankungen einen existenziellen Schutz gegen Überschuldung dar, unterstrich Helge Wittrodt. Beratung und Unterstützung alleine könnten diese Schutzfunktion nicht leisten. Daher könne die Ersetzung stellvertretenden Handelns durch Unterstützung auch langfristig kein legitimes behindertenpolitisches Ziel sein, so der BVfB-Vorsitzende.