Frau Eff… übt einfache Sprache

Frau Eff, Berufsbetreuerin … übt einfache Sprache

Gespräch in der Werkstatt für Menschen mit Behinderung. Meinen Betreute, die geistig und seelisch behinderte 22-jährige Vicky, ist vor wenigen Wochen erst in die neue Abteilung versetzt worden, alles lief prima, bis sie mal wieder Stress mit ihren Arbeitskollegen bekam. Vicky hat durch den täglichen Fernsehkonsum von Verbotene Liebe & Co. eine jahrelange Fortbildung in intrigantem Verhalten und im Gerüchtestreuen. Sie schafft es mit ihren langen blonden Haaren und

gezielten Sticheleien schnell, eine ganze Gruppe ebenfalls behinderter Arbeitskollegen zum Kochen zu bringen. Wenn die sich dann wehren, versteht sie die Welt nicht mehr und will sofort weg. Als Grund nennt sie dann ihr Asthma, dass sie nicht so lange stehen oder sitzen kann, Rückenschmerzen hat und vieles mehr.
Das geht natürlich nicht so weiter und darüber wollen wir heute mir Herrn K. von der Werkstatt, Frau B. vom Betreuten Wohnen, Vicky und Frau Eff sprechen.

Herr K.: “Die Vicky ist eine meiner besten Mitarbeiterinnen, sie macht ihre Arbeit zuverlässig und gut, aber die ist immer am quatschen und redet hinten ‚rum über die anderen. Und letztens war da so ne blöde Sache mit dem Schrank, da war Kaffee geklaut worden, keiner hat direkt gesagt, dass das die Vicky war, aber die hat schon allen erzählt, dass man sie falsch verdächtigt hat. Und die will auch immer Sonderurlaub haben, für ihre Arztbesuche, die soll das nach Feierabend machen. Ich versteh auch nicht, warum die Vicky immer…”

Vicky: “Ich hab nix geklaut, jetzt fängt der schon wieder damit an, immer meinen die…”

Herr K.: “Keiner hat gesagt, dass du was geklaut hast!”

Frau B: “Es ist wirklich nicht leicht, mit Vicky zu arbeiten. Sie lehnt einen ja manchmal komplett ab. Dann krieg ich ne SMS, dass sie unseren Termin absagt, und ich kann dann gucken, wie ich die Stunden voll kriege. Dass sie immer krank ist, liegt auch daran, dass sie nichts Vernünftiges isst. Toastbrot und Suppen, mehr hat die nicht im Haus. Schon hundertmal habe ich die zum Kochtraining eingeladen, aber dann heißt es immer, wenn der Karsten auch da ich, komm ich nicht. ”

Vicky: “Der Karsten ist ein Arsch, der…”

Frau B.: “Ihr Geld gibt die Vicky nur für Handykarten aus und für neue CDs. Ich versteh auch nicht, warum die nicht mit mir redet, wenn die hier in der Werkstatt Stress hat. Ich biete Ausflüge an, wir können auch zusammen Kaffeetrinken gehen, wir könnten mal so von Frau zu Frau reden, aber nein, da kommt nichts. Manchmal habe ich das Gefühl, die wartet nur darauf, dass ich endlich verschwinde. Außerdem…”

Vicky hat inzwischen abgeschaltet. Sie tippt gelangweilt auf ihrem Handy herum. Als Herr K. ihr das wegnimmt, rührt sie ohne Unterlass Zucker in ihren Kaffee und wippt auf dem Stuhl herum. Ich versuche das Gespräch zu retten, indem ich auf das eigentliche Problem zu sprechen komme und mich bemühe, positiv und in einfacher Sprache zu formulieren:

Frau Eff: “Vicky, du willst hier weg, weil du von der Arbeit Rückenschmerzen bekommst.”
Vicky: “Ja”.
Was sagt der Arzt?
Dass das vom Asthma kommt.
Rückenschmerzen kommen vom Asthma?
Maaaan, nee, mein Kranksein.
Auch so. Aber die Arbeit hier ist sonst okay?
Ja, schon.
Ist doch toll, dass der Herr K. findet, dass du seine beste Mitarbeiterin bist, oder?
(Vicky strahlt) Ja! Und ich komm auch nie zu spät!
Okay, Vicky, trotzdem willst du weg. Das ist ganz einfach: Man kann eine Arbeitsstelle erst verlassen, wenn man was Neues hat.
Ja…
Wie findet man denn was Neues?
Ich könnte mal die Sabine fragen. (Sabine ist die Sozialarbeiterin)
Super, mach das. Aber solange du nichts Neues gefunden hast, hältst du hier durch. In Ordnung?
Das ist aber schwer…
Wegen dem Asthma?
Nee, wegen dem Jürgen, der sagt immer so Sachen über mich, mit Ficken und Hure und so.
So ist der halt, aber bei dir sollte so was zum einen Ohr rein…
… und zum anderen wieder raus, eyh, Frau Eff, kenn ich.
Wenn das nicht klappt, müssen wir zwischen deinen Ohren mal ordentlich putzen, damit das fluppt!”

Vicky liegt daraufhin fast unter dem Tisch vor Lachen. Ich schreibe auf einen Blatt Papier „Vicky hält durch. Vicky sucht sich selbst neue Arbeit. Ohrenputzen übernimmt Herr K.“. Vicky unterschreibt diesen Vertrag, Herr K. auch, mit Stempel der Werkstatt. Wir hängen der Vertrag in Vickys Spind.
Die Kausalität „Man kann eine Arbeitsstelle erst verlassen, wenn man etwas Neues gefunden hat“ muss in den kommenden Tagen immer wieder mit Vicky durchgesprochen werden. Bisher kannte sie ja nur: „Wenn man lange genug meckert und oft krank ist, wird man versetzt“.

Beim nächsten Mal üben wir dann, dass die Betreuerin nicht der Mülleimer für den Frust der pädagogischen Mitarbeiter ist.