Frau Eff, Berufsbetreuerin… und der Umzug mit Zuständigkeitslücken
Die geistig und seelisch behinderte Frau G. hat es geschafft: Sie ist schwanger, obwohl ein Säugling wirklich nicht die sinnvollste Idee ist, die ihrem Umfeld zu ihrem chaotischen Leben einfällt. Nun, der Murkel in ihrem Baum ist auch mit den besten Argumenten nicht wegzudiskutieren, also müssen pragmatische Lösungen her. Das Jugendamt stellt die Bedingung, dass die junge Frau aus ihrer eigenen Wohnung in eine Mutter-Kind-Einrichtung umziehen müsse. Inhaltlich ist dies nachvollziehbar, auch wenn die Einrichtung 80 Kilometer vom Wohnort der Frau G. entfernt liegt. Praktisch fangen hier die Probleme an, und zwar ganz unmittelbar.
Selbstverständlich kann man Frau G. nicht zumuten, dem Umzug ins Mutter-Kind-Heim zuzustimmen, ohne sich die Räumlichkeiten dort einmal angeschaut zu haben.
Alleine würde Frau G. den Weg dorthin nie finden. Die Mitarbeiterin des Jugendamtes lacht laut auf, als ich sie frage, ob sie Frau G. bei der Besichtigung begleiten kann. Ambulant betreutes Wohnen gibt es in diesem Fall nicht. Angehörige oder nicht-behinderte Freunde auch nicht. Also muss Frau Eff mit der Betreuten die Einrichtung besichtigen. Das ist schon deshalb eine schöne Aussicht auf einen netten Tagesausflug, weil Frau G. bereits anfängt zu kotzen, wenn man den Zündschlüssel im Auto umdreht.
Mehr aus Mangel an Alternativen denn aus wirklicher Einsicht stimmt Frau G. nach der Besichtigung dem Umzug zu, der Heimvertrag wird unterschrieben. Erst dann kann und muss ich bei Gericht die Auflösung der Wohnung beantragen. Da inzwischen viel Zeit vergangen ist, liegt das Ende der gesetzlichen Kündigungsfrist weit hinter dem errechneten Entbindungstermin. Ein Antrag beim Sozialamt auf Weiterzahlung der Miete für drei Monate bringt erneut einen Sachbearbeiter zum Lachen. Dafür sei man nicht zuständig. Sobald die überörtliche Eingliederungshilfe den Platz der Frau im Mutter-Kind-Heim bezahle, sei die örtliche Sozialhilfe „raus aus dem Spiel“, Mietvertrag hin oder her. Da wird sich der Vermieter aber freuen.
Wie so oft bei meinen Klientinnen kommt das Kind erheblich zu früh auf die Welt, der Umzug in die Einrichtung muss also flott über die Bühne gebracht werden. Frau G. ist eigentlich schon damit überfordert, das Kind zu tragen. Wie nun zusätzlich auch ihre Kleidung, ihre persönlichen Gegenstände, ein paar kleine Möbelstücke und der lebenswichtige Fernseher ins Mutter-Kind-Heim kommen sollen, ist mir ein Rätsel. Ein entsprechender Antrag auf Hilfskräfte und ein Transportfahrzeug wird vom Sozialamt abgelehnt. Durch den längeren Aufenthalt auf der Entbindungsstation hat Frau G. ein paar Euro eingespart, so dass ich ein, zwei zahnlose Wegelagerer beauftragen kann, den Kram in ihrem alten Lada zu meiner Betreuten ins Heim zu transportieren. Ich fahre mit Frau G. und ihrem quäkenden Bündel hinterher. Als ich die düsteren Gesellen bitte, mir eine Quittung zu unterschreiben, lachen sie mich aus.
Nachdem ich dem Vermieter mitgeteilt habe, dass er ab sofort keine Miete mehr bekommt, zum Ausgleich aber eine renovierungsbedürftige und mit Sperrmüll vollgestellte Wohnung behalten darf, hat er nicht gelacht. Zum Glück ist er kein Rechthaber, sondern ein pragmatischer Mensch. Wir haben folgenden Deal geschlossen: Ich finde ihm über meine Betreuerkollegen einen Nachmieter, dafür verspreche ich, dass der Nachmieter die Bude leerräumt und neu anstreicht. Da bei uns in der Region sozialhilfefähige Einraumwohnungen Mangelware sind, bin ich zuversichtlich, dass ich hier nicht zu viel versprochen habe. So kommt es denn auch, und alle sind einigermaßen zufrieden.