Frau Eff… und die Einwilligung im Krankenhaus

Frau Eff, Berufsbetreuerin… und die Einwilligung im Krankenhaus

Alle rechtlichen Betreuer kennen diese Situation: Für den nur leicht seelisch oder geistig behinderten Klienten wurde auch der Aufgabenkreis Gesundheitssorge angeordnet. Grund dafür war, dass der Betreuer berechtigt werden sollte, Auskünfte über die gesundheitliche Situation des Betroffenen zu erhalten, wenn dies zum Beispiel für Anträge bei der Krankenkasse oder der Rentenversicherung notwendig sein sollte. Nicht beabsichtigt war, dass der Betreute damit hinsichtlich jeder ärztlichen Maßnahme oder Behandlung entmündigt wird. Tatsächlich ist aber genau dies die traurige Konsequenz.

Es sollte eigentlich jedem Arzt klar sein, dass ein einwilligungsfähiger Patient selbstständig und alleine einer Behandlung zustimmen kann, wenn er die Bedeutung und die Tragweite der medizinischen Maßnahme im Wesentlichen begreift. In einer solchen Situation einem Patienten mit unklaren Bauchschmerzen ein CT zu verweigern, einer Patientin mit einem gebrochenen Arm die notwendige Operation, einer Patientin mit Hexenschuss die Untersuchung oder einem Patienten mit Zahnschmerzen die Behandlung, nenne ich unterlassene Hilfeleistung.

Die Ärzteschaft nennt das aber Absicherung und hetzt den Betreuern das Pflegepersonal oder die Arzthelferin auf den Hals. Wie oft habe ich verzweifelte Untergebene am Telefon, mit denen sich Gespräche wie diese entwickeln:

Krankenhausschwester Jule: „Aber der Oberarzt hat gesagt, dass ich die Unterschrift für die Magenspiegelung von Ihnen besorgen muss. Da ist ja eine Betreuung.“
Frau Eff: „Ist der Patient denn einwilligungsfähig?“
„Ja, was heißt jetzt einwilligungsfähig…?“
„Na, ist er orientiert, weiß er, warum er bei Ihnen ist und was mit ihm gemacht werden soll.“
„Ja, klar weiß der das. Wir haben ja auch schon alles mit ihm besprochen. Er hat ja auch unterschrieben.“
„Warum soll ich denn dann 25 Kilometer zu Ihnen fahren und auch noch mal unterschreiben?“
„Weil da eine Betreuung ist! Der Arzt hat gesagt, vorher machen wir nichts.“
„Das ist doch Unfug.“
(verzweifelt und weinerlich) „Ich kann doch auch nichts dafür, der Chef will das so. Wir machen das immer so, dass der Betreuer unterschreiben muss.“
„Sagen Sie doch bitte Ihrem Chef, er soll mich selbst anrufen, damit ich das mit ihm klären kann.“
„Aber da kriege ich wieder nur Ärger. Sie sind die Betreuerin, das ist doch nur eine Unterschrift!“

Zwei, drei Stunden später habe ich dann Dr. Chefarzt am Telefon. Ich erläutere ihm kurz die Rechtslage. Er glaubt mir nicht und hält mir einen Vortrag über seine Arbeitsbedingungen, das marode Gesundheitssystem, den betreuten Patienten, der mit seiner Raucherei auf dem Zimmer sowieso eine Zumutung sei, und meine angebliche Verantwortung, wenn sich durch meine Verweigerung der Zustand des Patienten verschlechtern würde. Zudem droht er mit der Rechtsabteilung des Krankenhauses. Da seine Bedenken grundsätzlicher Natur sind, rate ich ihm, die Sache mit der zuständigen Richterin zu besprechen. Als ich ihm die Telefonnummer geben will, schreit er „Sie kommen jetzt auf der Stelle hier her!“ und legt auf.

In der Regel kann man dann ruhig bis 50 zählen, bevor das Telefon erneut klingelt und Schwester Jule wieder am Telefon ist. Sie bietet unterwürfig an, den Einwilligungsbogen zu faxen, das wäre doch eine super Idee vom Arzt, dann bräuchte ich nicht persönlich zu kommen. Sie fleht mich an, ihr meine Faxnummer zu nennen. Sie will den Ärger endlich vom Hals haben.

Und nun? Klein beigeben oder mit Blick auf die UN-Behindertenkonvention das Selbstbestimmungsrecht des Betreuten durchsetzen? Die Sache in zwei Minuten aus der Welt schaffen oder sich weiter drei Stunden aufregen, um dann bei nächsten Mal wieder die genau gleiche Diskussion führen zu müssen?

Am letzten Sonntag habe ich mir die Mühe gemacht und bin persönlich ins Krankenhaus gefahren. Immerhin ging es um einen Darmtumor, also keine Kleinigkeit. Operateur und Anästhesist sind gekommen und haben mir ihre handschriftlich ergänzten Formulare vorgelegt. Im Nacken hatten sie den nächsten verunglückten Motorradfahrer, der gerade mit dem Hubschrauber gebracht wurde. Die Leute sind nicht zu beneiden, auch das sollte man sehen. Trotzdem muss so viel Zeit sein, dass der betroffene Patient wenigsten an dem Gespräch teilnehmen kann. Sehr genervt stimmen beide Ärzte dem zu. Im Schweinsgalopp erklären sie mir (und nur mir) den Eingriff im Medizinerdeutsch. Der Betreute sitzt mit offenem, zahnlosen Mund daneben. „Haben Sie verstanden, was der Arzt gesagt hat?“ frage ich ihn. „Jau. Der Knubbel im Darm is Kräps, dat muss raus. Da schneiden die dat Stück raus und nähen dat widder zusamme. Wenn dat nicht richtisch zusammen wächst, krisch ich außen so’n Beutel. Un weil man nie weiß, wie dat alles so kommt, muss ich unterschreiben. Sonst is der Herr Doktor nachher der Dumme.“ Ich würde sagen: Ein einwilligungsfähiger Patient.