Frau Eff… und die schwierige Klientin

Frau Eff, Berufsbetreuerin… und die schwierige Klientin

Frau A. ist wirklich kein einfacher Mensch. Unschätzbaren Alters, eine quirlige, dicke, aufdringliche Person, die jeden anquatscht, unermüdlich Fragen und Forderungen stellt, zeitweise einen süßlichen Charme entwickelt und im gleichen Moment wie eine Dampframme zuschlagen kann. Ihre Diagnose umfasst sowohl eine geistige wie auch eine seelische Behinderung. Ich würde auch noch eine soziale Behinderung hinzufügen, nachdem ich das zweifelhafte Vergnügen hatte, ihre Großfamilie kennenzulernen.

Über Umwege ist Frau A. in einer Einrichtung für geistig behinderte Menschen gelandet, wo sie in einer Wohngruppe betreut wird. Dort ist sie intellektuell die Stärkste, und man muss mit einem gewissen Zynismus sagen, dass das den Großteil der Mitarbeiter einschließt. Wenn ich sehe, wie Frau A. dort immer wieder ihren Willen durchsetzt und innerhalb kurzer Zeit in der Wohngruppe bürgerkriegsähnliche Zustände herstellt, habe ich wenig Verständnis für die sanfte Vorschlagspädagogik der Mitarbeiter. Dass man bei Frau A. mit Duftöl im Zimmer und Entspannungsübungen nicht weiterkommt, wird klar, wenn sie zur Durchsetzung ihrer Forderungen nach mehr Taschengeld und Chauffeurdienten zu ihrer Familie gezielt Zimmerbrände legt. Kaum ist der Frühdienst mit einer anderen Bewohnerin beim Zahnarzt, anstatt mit Frau A. beim Schwimmen, wie sie es wünscht, zündet sie ihre Unterwäsche an, mit Sonnenblumenöl als Brandbeschleuniger. Auch wegen ihrer massiven Übergriffe auf ihre Mitbewohner ist Frau A. sehr unbeliebt.

Nachdem die Hälfte der Mitarbeiter dauerkrank ist oder erfolgreich Versetzungsanträge gestellt hat, hat die Heimleitung ein Einsehen und stimmt meinem Wunsch auf Verlegung in eine besser besetzte Spezialgruppe für extrem verhaltensauffällige Bewohner zu. Dies ist vorher abgelehnt worden, weil die Spezialgruppe sich die allseits bekannte Frau A. vom Hals halten wollte. Auch hier fürchtete man ihre Gewaltausbrüche, ihre Autoaggression und ihre nicht enden wollenden Ich-will-ich-will-Forderungen. Da allerdings die Spezialgruppe einen doppelt so hohen Personalschlüssel wie der Rest der Einrichtung hat, konnte man nicht ernsthaft nein sagen.

So residiert Frau A. nun in der neuen Gruppe, die sie fortwährend verlässt, um sich mit waghalsigen Aktionen Zugang zur psychiatrischen Klinik zu verschaffen, wo sie sich mehr positive Aufmerksamkeit erhofft. Sie wirft sich theatralisch mitten auf einer Kreuzung auf die Straße und steht nicht wieder auf. Sie schluckt unter Zeugen Schlüssel und Geldstücke und legt weiterhin Brände. Da die neue Gruppe fakultativ geschlossen ist, also in der Lage wäre, Frau A. an ihrem selbstgefährdenden Verhalten zu hindern, beantrage ich in Absprache mit der behandelnden Psychiaterin die geschlossene Unterbringung. Bei der gerichtlichen Anhörung wird dann sehr deutlich, worum es Frau A. eigentlich geht: Zuwendung, Anerkennung, im Rampenlicht stehen. Mit entzücktem Lächeln hat sie gehört, dass nicht nur der Herr Richter persönlich, sondern auch ein Rechtsanwalt gekommen ist, um sich mit ihr zu unterhalten. Und Frau A. weiß ganz genau, welche Register in so einem Fall gezogen werden müssen, um alle Warnlampen zum Blinken zu bringen. Mit deutlichen Worten beschuldigt sie einen Mitbewohner, sie sexuell zu belästigen und bereits mehrfach vergewaltigt zu haben. „Der B., der will immer Ficki-ficki machen, das will ich nicht.“ Niemand in der Wohngruppe hält so etwas für möglich. Trotzdem dauert es eine Weile, bis der arglose Anwalt sich wieder beruhigt hat.

Wie es mit Frau A. weitergeht, weiß ich nicht. Ich glaube, sie braucht jemanden, der oder die ihrer Energie etwas entgegen setzen kann. Meine Aufgabe sehe ich darin, sie in die Nähe solcher Menschen zu vermitteln. Schwierige Klienten wie Frau A. brauchen die besten Mitarbeiter, die kreativsten Einrichtungen, und notfalls auch Zusatzpersonal und Einzelfallhilfen, die der Eingliederungshilfe abgetrotzt werden müssen.