Frau Eff, Berufsbetreuerin… und die Schwierigsten
Die engagierte Debatte in der psychosozialen Szene über geschlossene Einrichtungen und die Verantwortung gegenüber den schwierigen Klienten wird von Frau Eff aufmerksam verfolgt. Es ist zu beobachten, dass es zwei Lager gibt: Auf der einen Seite die alten Psychohasen in den 68er-Cordhosen, die grundsätzlich gegen geschlossene Heime sind, weil dies nicht ihrem Menschenbild entspricht und alle Reformerfolge aufs Bitterste verraten würde. Auf der anderen Seite stehen diejenigen, die jeden Tag mit schwer gestörten, aggressiven, kranken Menschen zu tun haben. Die haben auch Ideale, die sie nicht verkaufen wollen, müssen aber trotzdem handeln. Sie können diejenigen, die die Forensik noch nicht, und das Wohnheim nicht mehr aufnehmen will, nicht einfach irgendwo in eine Abstellkammer sperren, bis ihnen etwas einfällt. Also sucht man eine geschlossene Einrichtung, in der man nach Möglichkeit nicht selbst arbeiten muss. Sankt-Florian-Prinzip, Sie kennen das.
Als rechtliche Betreuer können wir uns wenig gesellschaftspolitische Sozialromantik leisten, was geschlossene Heime angeht. Wir sind es, die von den psychiatrischen Kliniken unter Druck gesetzt werden, endlich eine Bleibe für Herrn X oder Frau Y zu finden, die krankheitsuneinsichtig und massiv eigengefährdend, geistig behindert, psychotisch und fremdaggressiv als sogenannter „Wartefall“ über Monate ein Krankenbett blockieren. Es sind unsere Klienten, denen der Platz im Wohnheim gekündigt wird, weil sie den anderen Bewohnern nicht mehr zugemutet werden können. Es sind die betreuungsrechtlichen Eilfälle, die mit einer Räumungsklage in der Tasche auf unserem Schreibtisch landen.
Jeder Betreuer kennt die Situation, mal wieder Absagen von allen geschlossenen Einrichtungen in der Region zu erhalten. Bis man zu diesem Punkt kommt, muss man erst einmal ermitteln, wo es überhaupt solche Heime gibt. Schon das ist denkbar schwierig. Weil es immer ausreichend Nachfrage gibt, veröffentlich kaum ein Anbieter die Existenz einer geschlossenen Wohngruppe in seinen Publikationen oder im Internet.
Hat man endlich einen freien Platz gefunden, ist es natürlich der Einrichtung vorbehalten, über eine Aufnahme zu entscheiden. Das ist richtig so, nachvollziehbar und wird in der Regel auch mit guten Argumenten durchgeführt. Und genau an diesem Punkt beginnt meine Kritik an allen anderen offenen Einrichtungen.
Frage ich wegen eines Heimplatzes für einen schwierigen Klienten in einer offenen Einrichtung an, tue ich dies immer mit einer ausführlichen, ungeschminkten Schilderung der Problematik. Ich gebe mir auch Mühe, jeweils darzulegen, warum ich mir vorstellen kann, dass man mit Geduld, Humor und Empathie auch ohne geschlossene Türen mit diesem Klienten Fortschritte erarbeiten könnte. Ich zeige Chancen und Möglichkeiten auf. Und was passiert? Trotz freier Plätze bekomme ich eine kurz angebundene Absage. Man ist noch nicht einmal zu einem persönlichen Kennenlernen bereit, hat auch keine Nachfragen, will nicht mit mir sprechen und sieht auch keine Notwendigkeit, die Absage zu begründen. Das ärgert mich, und zwar grundsätzlich. Es empört mich, dass die Träger der Eingliederungshilfe es dulden, dass Anbieter sich ihre „Kunden“ aussuchen können, ohne dies begründen zu müssen, ohne auf ihre Verantwortung, ihren Versorgungsauftrag hingewiesen zu werden. Denn so wird die Gruppe der Schwierigen, der Systemsprenger, unnötig groß. Nur so müssen Menschen aus ihrer Heimatregion heraus gerissen und in weit entfernte, oft geschlossene Heime verschickt werden. Hier erwarte ich als rechtliche Betreuerin vom Träger der Eingliederungshilfe, dass man sich offensiv um diese Klientengruppe kümmert, dass man uns Betreuer unterstützt, indem man trägerübergreifende Fallgespräche initiiert und gemeinsam an einer Lösung arbeitet. Ich erwarte eine ernstzunehmende Selbstverpflichtung, sich um die Schwierigsten zu kümmern. Die Motivation sollte nicht sein, sich schwierige Klienten vom Hals zu halten, sondern die unbestrittene Schwere der Last auf möglichst viele Schultern zu verteilen.