Frau Eff, Berufsbetreuerin… vergleicht Anbieter A und B
Wir haben in unserer Region zum Glück einige Anbieter von ambulant betreutem Wohnen. So kann ich immer versuchen, den besten für meine Klienten zu finden. Der beste ist nicht immer der Anbieter, der auch in Fachkreisen den besten Ruf hat. Ich möchte mal ein Beispiel nennen.
Gesucht wird eine ambulante Unterstützung für einen 30-jährigen Suchtkranken (Alkohol, Tabletten, er schluckt alles). Der Mann hat eine bewegte Geschichte, in der die Bundeswehr und vor allem sein reicher, ehrgeiziger Vater keine ruhmreiche Rolle spielen. Beim Aufnahmegespräch bei Anbieter A kommt das gleich zur Sprache.
Die Leiterin des betreuten Wohnens und ein Mitarbeiter erkennen die Schwachstellen meines Klienten mit geschultem Blick sogleich und stellen ihm das Konzept und die Bedingungen für eine Zusammenarbeit vor. Er müsste sich seinen Problemen stellen, aktiv eine Änderung wollen, bedingungslos offen sein und an allen Angeboten teilnehmen. Der Klient, durch reichlich Klinikaufenthalte und Therapeutengespräche ein Experte seiner selbst, erkennt natürlich sofort, dass er den beiden nichts vormachen kann. Die ganze Sache riecht für ihn sofort nach Arbeit und Ausweglosigkeit. Damit liegt er auch genau richtig – und macht dicht. Schon auf dem Weg nach draußen spuckt er abfällige Bemerkungen über die beiden Mitarbeiter aus und findet Gründe, warum er dort nicht hin will. Ich kann ihn sogar verstehen. Die beiden Mitarbeiter des BeWo-Anbieters haben meiner Ansicht nach eine sehr arrogante Nummer abgezogen. Der Hilfesuchende (oder „Kunde“, wie man dort so nett sagt) muss sich zwangsläufig klein und erniedrigt vorkommen. Wer sich auf unsere Spielregeln nicht einlässt, der will und bekommt auch keine Hilfe. „Fair enough“, wie der Engländer sagt, aber für viele meiner Betreuten genau der falsche Weg, besonders bei einem Erstkontakt.
Mit dem gleichen Betreuten habe ich bei Anbieter B ganz andere Erfahrungen gemacht. Schon das Ambiente hätte verschiedener nicht sein können. Modische, saubere Räume bei A, eine heruntergekommene, umgebaute Industriehalle bei B. Bei Anbieter B ist das Erstgespräch kurz, es gibt Kaffee und Kuchen und kaum Fragen. Der Interessent bekommt alle Räume gezeigt, die Atmosphäre ist freundlich, die anderen Leute dort selbstbewusst und fröhlich. „Wenn Sie wollen, können, wir morgen anfangen. Dann lernen wir uns kennen und nach zwei, drei Monaten sehen wir weiter“, wird meinem Klient gesagt. Er wird zum täglichen Frühstück eingeladen, alles freiwillig und unverbindlich, Pflichttermine gibt es nicht, dafür eine Waschmaschine und einen Internetanschluss, den jeder nutzen kann. Raten Sie mal, auf wen die Wahl fällt.
Anbieter A hat in der Hilfeplankonferenz einen guten Ruf. Man hat dort Casemanager, Monitoring-Gespräche, ein Qualitätsmanagement etc. Anbieter A gilt als extrem professionell und hat hohe Erfolgsquoten, was Rückfälle und die Vermittlung in Arbeit angeht. Dies allerdings nur mit Menschen, die sich auf das engmaschige, sehr therapeutische Konzept einlassen können. Die Leute, die ich betreue, sind oft weniger kooperativ. Sie hassen es, unmittelbar auf eigene Fehler und Schwächen hingewiesen zu werden. Sie riechen Therapeuten hundert Meter gegen den Wind. Und sie bekommen bei Anbieter B, was sie vor einer Lebensänderung erst einmal brauchen: Jemand, der mit ihnen praktische Sachen wie Aufräumen und Einkaufen macht, ein niedrigschwelliges Angebot für etwas Geselligkeit und auf keinen Fall Druck. Alles andere ergibt sich dann Stück für Stück.