Betreten der Wohnung gegen den Willen des Betreuten nur in Notsituationen

Landgericht Darmstadt lehnt betreuungsgerichtliche Ermächtigung in anderen Fällen ab

Das Betreten der Wohnung des Betreuten gegen dessen Willen ist als Grundrechtseingriff mangels spezialgesetzlicher Grundlage  nur unter den Voraussetzungen des Art. 13 Abs. 7 Alt. 1 GG gerechtfertigt, wenn nämlich unmittelbar eine gemeine Gefahr oder eine Lebensgefahr für einzelne Personen abgewendet werden soll. Für alle anderen Fallkonstellationen müsse der Gesetzgeber ausdrücklich Eingriffsgrundlagen schaffen. Diese Rechtsauffassung vertritt das Landgericht  Darmstadt in einem Beschluss vom 14. März 2012 (5 T 475/10).

Damit wendet sich das LG Darmstadt gegen die von einigen anderen Landgerichten und in der Literatur vertretene Auffassung, dass das Betreuungsgericht den Betreuer im Einzelfall zum Betreten der Wohnung gegen den Willen des Betroffenen ermächtigen könne. Keine der von den Landgerichten Berlin (FamRZ 1996, 821), Freiburg (FamRZ 2000, 1316) und Frankfurt (Beschluss v. 09.06.1993, zit. nach MüKo/Schwab, BGB, 5. Aufl., § 1896 Rn. 86) herangezogenen Analogien zu § 1896 Abs. 4 BGB, § 1902 BGB i. V. m. Art. 13 Abs. 7 GG, Art. 13 Abs. 2 GG und § 1907 Abs. 1 BGB sei als Ermächtigungsgrundlage für einen richterlichen Beschluss einschlägig. Auch § 16 Abs. 5 Satz 2 Infektionsschutzgesetz, der die Pflicht zur Erteilung von Auskünften und zur Zugänglichmachung der Wohnräume dem Betreuer auferlegt, begründe keine hinreichend bestimmte Ermächtigung des Betreuers, zur Erfüllung dieser Verpflichtung in das Grundrecht des Betroffenen auf Unverletzlichkeit der Wohnung einzugreifen.

In dem vom LG Darmstadt entschiedenen Fall lag Betreuungsbedürftigkeit wegen krankheitsbedingter und langjähriger Vermüllung des von der Betroffenen bewohnten Hausgrundstücks nur hinsichtlich der Schaffung und Aufrechterhaltung der häuslichen Ordnung vor. Da die Betroffene aber jegliche Kooperation mit einem Betreuer ablehnte und sich mit allen Mitteln gegen Entrümpelungsmaßnahmen Dritter zur Wehr setzte, wäre eine Betreuung faktisch undurchführbar, weil eine richterliche Ermächtigung zum zwangsweisen Betreten des Anwesens der Betroffenen gegen deren Willen nicht in Betracht komme. Aktuelle Gefahren wegen der schon langzeitig vermüllten Verhältnisse seien nicht erkennbar.

Wenn sich diese Rechtsauffassung des LG Darmstadt durchsetzen sollte, wäre eine gesetzliche Grundlage erforderlich, auf der Betreuungsrichter im Einzelfall Betreuer zum Betreten ermächtigen könnten, wenn die Weigerung des Betroffenen nicht von dessen freien Willen getragen wäre und zu erheblichen Rechtsgutsbeeinträchtigungen führen würde.