Betreuerbestellung und Unterbringung trotz Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung

Notwendige Abwehr der Gefahren durch verfügungsgemäßes Handeln des Bevollmächtigten

Die Zahl der Gerichtsentscheidungen über notwendige Betreuerbestellungen und Unterbringungen wegen überforderter Vorsorgebevollmächtigter nimmt weiter zu. Das Landgericht Bochum bestätigte die Bestellung eines Berufsbetreuers nach erfolgter geschlossener Unterbringung, obwohl der Betroffene eine Vorsorgevollmacht errichtet und in einer Patientenverfügung Unterbringung und medikamentöse Behandlung untersagt hatte. Mit seinem Beschluss vom  19.01.2010 (Az. 7 T 558/09) wies das LG das Beschwerdevorbringen des Verfahrenspflegers zurück, der Betroffene sei einsichtsfähig und die entgegenstehende Patientenverfügung wirksam.

Der an einer paranoiden Schizophrenie leidende, nicht krankheitseinsichtige Betroffene war bereits im März 2009 25 Tage lang stationär untergebracht worden, weil er sich, mit einem Messer und Reizgas versehen, in der Öffentlichkeit auffällig verhalten hatte. Im Juli 2009 errichtete er eine Vorsorgevollmacht mit Patientenverfügung. Im November 2009 suchte der Betroffene die Notaufnahme eines Krankenhauses auf und führte dabei ein Messer mit einer 50 cm langen Klinge bei sich. Wegen der von ihm gezeigten Aggressivität erfolgte ein Polizeieinsatz und der Betroffene wurde erneut, diesmal über einen Zeitraum von fast sechs Wochen, öffentlich-rechtlich untergebracht. Während des neuerlichen stationären Aufenthalts hatte der Betroffene die verordneten Medikamente entgegen einer Vereinbarung mit den behandelnden Ärzten heimlich nicht eingenommen. Der bestellte Vorsorgebevollmächtigte versäumte die Beantragung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes, der Betroffene war auch nicht mehr krankenversichert.

Das Landgericht Bochum bestätigte die Betreuerbestellung, weil wegen der Ambivalenz des Betroffenen noch nicht von einer ausreichenden nachhaltigen Stabilisierung seiner gesundheitlichen Situation ausgegangen werden könne. Vielmehr sei absehbar, dass wiederum Zwangsmaßnahmen erforderlich werden könnten. Das Kammergericht Berlin hatte bereits im Jahr 2006 entschieden, dass die Bestellung eines Berufsbetreuers trotz bestehender Vorsorgevollmacht möglich sei, wenn die Wahrnehmung der Interessen des Betroffenen durch den Bevollmächtigten dem Wohl des Betroffenen klar zuwiderlaufe, so dass eine konkrete Gefahr für das Wohl des Betroffenen begründet wird (KG vom 14.3.2006, 1 W 298/04 u.a.)

Trotz Vorliegens einer akuten Verschlechterung der Erkrankung des Betroffenen habe der Bevollmächtigte nicht dafür gesorgt, dass der Betroffene ärztliche Diagnostik bzw. Behandlung erhielt, so das Landgericht Bochum. Der Bevollmächtigte sei entgegen den tatsächlichen Gegebenheiten – aber nach dem Wortlaut der Patientenverfügung –  davon ausgegangen, dass der Betroffene keine Hilfe brauche und wegen vermeintlich vorliegender Einsichtsfähigkeit jegliche Bevollmächtigtenaktivität das Einvernehmen des Betroffenen voraussetze.

Der wiederholt unter dem Einfluss einer akuten psychotischen Symptomatik stehende Betroffene habe ausweislich seiner Patientenverfügung keinerlei Krankheitseinsicht. Eine derartige Einsicht wäre jedoch Voraussetzung für die erforderliche sachliche Abwägung der Risiken eines Verzichts auf ärztliche und administrative Hilfe, so das Landgericht Bochum. Betreuerbestellung und Unterbringung stünden nicht im Widerspruch zur UNO-Behindertenrechtskonvention, weil der Betroffene in den betreuungsrechtlichen Regelungen jederzeit als Rechtssubjekt behandelt werde und umfassend verfahrensfähig sei, stellte das LG fest.