Betreuungsgutachten muss genaue Diagnose benennen und abgrenzen

Bundesgerichtshof definiert Anforderungen an Sachverständigenfeststellungen

In Betreuerbestellungsverfahren werden die medizinischen Sachverständigen künftig präziser beschreiben müssen, an welchen Krankheiten der Betroffene leidet und wie sich diese auswirken.  Der Bundesgerichtshof hat über zwei Rechtsbeschwerden von Betroffenen entschieden und in einem Fall wegen des mangelhaften Gutachtens die Entscheidung über die Verlängerung der Betreuerbestellung erneut dem Landgericht zugewiesen (Beschluss vom 19. Januar 2011, XII ZB 256/10).

Gem. § 280 FamFG hat sich das Gutachten u.a. auf das Krankheitsbild einschließlich der Krankheitsentwicklung (Nr. 1), die durchgeführten Untersuchungen und die diesen zugrunde gelegten Forschungserkenntnisse (Nr. 2) und den körperlichen und psychiatrischen Zustand des Betroffenen (Nr. 3) zu erstrecken. Nach Auffassung des BGH soll das Betreuungsgericht damit das Gutachten auf seine wissenschaftliche Begründung, seine innere Logik und Schlüssigkeit hin überprüfen können. Das Gutachten müsse daher Art und Ausmaß der Erkrankung anhand der Vorgeschichte und der durchgeführten Untersuchungen darstellen und wissenschaftlich begründen (so schon im Senatsbeschluss vom 15. September 2010 – XII ZB 383/10).

Im entschiedenen Fall mangele es beim vorliegenden Gutachten sowohl an der Darstellung der von dem Sachverständigen durchgeführten Untersuchungen als auch an einer entsprechenden wissenschaftlichen Begründung, so der BGH. Schon das Krankheitsbild sei unzureichend beschrieben. Der Sachverständige hatte hierzu nur ausgeführt, dass der Betroffene an einer schweren Persönlichkeitsstörung leide, die durch manisch-kämpferische Elemente und wahnhaft anmutende Vorstellungen charakterisiert sei. Eine differenzialdiagnostische Klärung fehlte ebenso wie die erforderliche Klassifizierung der Diagnose (nach ICD-10 oder DSM IV).

In einem weiteren Beschluss (vom 9. Februar 2011, XII ZB 526/10) setzt sich der BGH mit der Feststellung des freien Willens gem. § 1896 Abs. 1a BGB auseinander. Einsichtsfähigkeit setze die Fähigkeit des Betroffenen voraus, im Grundsatz die für und wider eine Betreuerbestellung sprechenden Gesichtspunkte zu erkennen und gegeneinander abzuwägen. So vermöge ein an einer Psychose erkrankter Betroffener das Wesen und die Bedeutung einer Betreuung im Detail eher zu begreifen als der an einer Demenz leidende Betroffene. Der Betroffene müsse Grund, Bedeutung und Tragweite einer Betreuung intellektuell erfassen können (BT-Drucks. 15/2494 S. 28). Die Einsichtsfähigkeit in den Grund der Betreuung setzt voraus, dass der Betroffene seine Defizite wenigstens im Wesentlichen zutreffend einschätzen könne.

Im entschiedenen Fall hatte der Sachverständige festgestellt, dass der Betroffene im Umfang der angeordneten Betreuung nicht zu einer freien Willensbestimmung in der Lage sei. Infolge der extremen Störung seines Kurzzeitgedächtnisses sei es ihm nicht möglich, die Diskrepanz zwischen seiner eigenen Wahrnehmung und den von der Betreuungsbehörde ermittelten tatsächlichen Verhältnissen zutreffend einzuschätzen.