Geschlossene Unterbringung nur bei erheblicher Gefährdung

Bundesgerichtshof betont Verhältnismäßigkeitsprinzip

Im Fall krankheitsbedingter unablässiger Stalking-Attacken kommt eine Unterbringung trotzdem nur ausnahmsweise in Betracht, wenn die Angriffe im Einzelfall geeignet sind, die Gesundheit der attackierten Person erheblich zu gefährden. Weil die Attacken des Betroffenen keinen besonderen Schweregrad hatten und lange zurück lagen (der Betroffene hatte die Frau, der er nachstellte, in 1997 einmal kräftig am linken Oberarm gepackt und in 2001 ein weiteres Mal an beiden Handgelenken gepackt gegen die Hauswand gedrückt) erklärte der Bundesgerichtshof in einem Beschluss vom 14. Dezember 2011  (XII ZB 488/11) eine ordnungsrechtliche Unterbringung nach baden-württembergischem Unterbringungsgesetz für rechtswidrig.

Der Betroffene leidet seit 1997 an einer paranoiden Schizophrenie. Er ist wahnhaft liebeshungrig, seine Begierde richtete sich ab 1996 auf eine ihm flüchtig bekannte Frau, die er zunehmend verfolgte und belästigte. Sein Besitzstreben an dieser Frau, welche seine Zuneigung nicht erwiderte, steigerte sich mit der Zeit in Sachbeschädigung, Beleidigung, Hausfriedensbruch und Körperverletzung. Er versuchte in ihr Haus einzudringen und stellte ihr am Arbeitsplatz nach, wobei es auch zu körperlichen Übergriffen kam. Der Betroffene ist weder zur freiwilligen Medikamenteneinnahme noch zu einer kontrollierten Medikamenteneinnahme in einer Wohnform des betreuten Wohnens bereit.

Das Landgericht stellte fest, dass der Betroffene nicht über die nötige Krankheits- und Therapieeinsicht verfüge, um die notwendigen Medikamente dauerhaft aus eigenem Antrieb einzunehmen. Die geschlossene Unterbringung sei ein geeignetes Mittel, um drohende Fremdgefährdungen auszuschließen. Der Betroffene werde ohne einen kontrollierenden Raum nach seiner Entlassung in einen Liebes- und Beziehungswahn zu einer beliebigen Frau verfallen. Handgreiflichkeiten und körperliche Übergriffe seien dann sehr wahrscheinlich.

Dagegen monierte der BGH, das Landgericht habe keine ausreichende Gefährlichkeitsprognose angestellt und die bestehende Gefährdung nicht unter dem Blickwinkel des Übermaßverbots bewertet. Der Betroffene habe zwar teilweise strafbewehrte Handlungen begangen, jedoch reichten diese Vorfälle zehn Jahre zurück.

In einer weiteren Entscheidung vom gleichen Tage (XII ZB 171/11) stellte der BGH die Rechtswidrigkeit einer zivilrechtlichen Unterbringung einer Person mit einer organischen psychotischen Störung und erheblichen Verwahrlosungstendenzen fest. Während das Landgericht die notwendige Depotmedikamentbehandlung nur unter geschlossen-stationären Voraussetzungen für realisierbar hielt, war der BGH der Auffassung, das LG hätte sich mit dem im Sachverständigen-Gutachten für möglich gehaltenen Aufenthalt in einer betreuten Wohneinrichtung als mildere Maßnahme gegenüber der Unterbringung auseinandersetzen müssen.