Kein Zwangsumzug, wenn sich psychische Erkrankung sonst verschlimmert

Sozialgerichtsbarkeit schützt betreute Menschen in zu teuren Wohnungen

Unangemessen hohe Unterkunftskosten müssen nicht innerhalb von 6 Monaten durch Umzug abgesenkt werden, wenn ein Wohnungswechsel die gesundheitliche Situation des Leistungsberechtigten verschlimmern würde. Diesen vom Bundessozialgericht (Urteil vom 19.02.2009, B 4 AS 30/08 R) geprägten Grundsatz haben untere Instanz für mehrere Fallvarianten konkretisiert.

Auf Grund des jüngsten, vom Landessozialgericht Sachsen-Anhalt am 27. Dezember 2010 gefassten Eilbeschlusses (L 5 AS 179/10 B ER) durfte die Betroffene bis auf weiteres in ihrer Wohnung bleiben, weil ihr ein Umzug aufgrund der bei ihr vorliegenden Angst- und depressiven Störungen mit agoraphobischer Symptomatik nicht zumutbar sei.

In dem vom Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen entschiedenen Rechtsstreit (L 7 B 411/08 AS ER, Beschluss vom 08.06.2009)litt die Betroffene an einer rezidivierenden depressiven Störung sowie einer Angstneurose und Dekompensation bei situativer Belastung. Sie befand sich während des Verfahrens in einer mittelschweren depressiven Episode mit deutlich verminderter Konzentrations- und Reaktionsfähigkeit sowie Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit aus Angst, ihre Wohnung verlassen zu müssen. Der medizinische Gutachter schlussfolgerte, dass der drohende Wohnungsverlust ein erhebliches Psychotrauma bedeute, wodurch der Gesundheitszustand weiter gefährdet werde. Derzeit sei ihr ein Umzug nicht zuzumuten.

Das LSG Berlin-Brandenburg folgte in dem Fall L 29 B 1944/08 AS ER (Beschluss vom 28.11.2008) dem behandelnden Psychiater der Jobcenter-Kundin, der in seinem Attest eine Fortführung der ambulanten psychiatrischen Behandlung und medikamentösen Therapie aus Gründen der Stabilisierung des seelischen Zustandes und des bisher erreichten Behandlungserfolges für unbedingt erforderlich hielt. Er lehnte einen Umzug der Antragstellerin aus gesundheitlichen Gründen weiterhin ab. Vom Jobcenter wurden medizinische Ermittlungen nicht durchgeführt.

Das Bundessozialgericht hatte in seinem Grundsatzurteil vom 19.02.2009 (B 4 AS 30/08 R) als ein Umzugshindernis auch die Konstellation gesehen, dass behinderte oder pflegebedürftige Menschen bzw. die sie betreuenden Personen, zur Sicherstellung der Teilhabe behinderter Menschen auf eine besondere wohnungsnahe Infrastruktur angewiesen seien.