Keine Beschränkung auf unterstützende Hilfen bei fehlendem freiem Willen

Bundesgerichtshof bestätigt umfassende Rechtseingriffe bei schizoaffektiver Psychose

In einer psychischen Krise mit akuter  Selbstgefährdung kommen alle Rechtseingriffe, nämlich Betreuerbestellung, Einwilligungsvorbehalt und zivilrechtliche Unterbringung in Betracht. Der Bundesgerichtshof wies mit Beschluss vom 11. August 2010 (XII ZB 78/10) eine Rechtsbeschwerde der Betroffenen,  die an einer schizoaffektiven Psychose leidet, gegen die Eingriffe zurück. Das Betreuungsgericht hatte einen Berufsbetreuer u. a. mit den Aufgabenkreisen Gesundheitssorge, Unterbringung und Vermögenssorge bestellt und für Angelegenheiten der Vermögenssorge einen Einwilligungsvorbehalt angeordnet. Nachdem die Betroffene in einer Tagesstätte gedroht hatte, sich mit einem von ihr mitgeführten Messer in den Bauch zu stechen, hatte das Gericht ihre geschlossene Unterbringung genehmigt.

Im ärztlichen Gutachten wurde die Fähigkeit der Betroffenen zur Bildung eines “freien Willens” als aufgehoben angesehen. Auf die von der Verfahrenspflegerin wiedergegebene Meinung der Betroffenen, diese benötige keinen Betreuer, “sondern jemanden, der sie täglich psychosozial für etwa zwei Stunden … an die Hand nimmt”, habe das Betreuungsgericht demzufolge keine Rücksicht nehmen müssen, so der BGH. Auch der Umstand, dass die Verfahrenspflegerin die Betreuung durch den bestellten Betreuer “von Anfang an als für die Betroffene nicht förderlich empfunden” habe, sei nicht geeignet gewesen, die Rechtmäßigkeit der Betreuerbestellung in Zweifel zu ziehen.

Die Vorinstanzen hatten die Unterbringung auf § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB gestützt. Diese Vorschrift verlange nach Auffassung des BGH – im Gegensatz zur öffentlich-rechtlichen Unterbringung – zwar keine akute, unmittelbar bevorstehende Gefahr für den Betreuten, aber zumindest eine ernstliche und konkrete Gefahr für dessen Leib oder Leben (Beschluss vom 13. Januar 2010 – XII ZB 248/ 09 – FamRZ 2010, 365). Die Anforderungen an die Voraussehbarkeit einer Selbsttötung oder einer erheblichen gesundheitlichen Eigenschädigung dürften jedoch nicht überspannt werden  (Beschluss vom 23. Juni 2010 – XII ZB 118/10).