Keine Zustellung eines belastenden Verwaltungsaktes an Verfahrensunfähigen durch nachträgliche Betreuerzustellung

Zustellungsmangel wird nicht durch Kenntnisnahme durch Betreuer geheilt

Wurde ein Verwaltungsakt unmittelbar einem Verfahrenshandlungsunfähigen zugestellt, so kann allein durch die Kenntnisnahme des Verwaltungsakts durch den Betreuer keine Heilung eintreten, weil die Behörde bei der unwirksamen Zustellung gegenüber dem Betreuer regelmäßig nicht den erforderlichen Bekanntgabewillen hatte. Dies hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg mit Urteil vom 2.11.2010, 11 S 2079/10 entschieden.

Dem aus Polen stammenden Betroffenen wurde ein belastender Verwaltungsakt (Ausreiseauffor-derung und Abschiebungsandrohung) zugestellt. Er berief sich darauf, zum Zeitpunkt der Zustellung geschäftsunfähig und damit im Rahmen des Verwaltungsverfahrensrechts handlungsunfähig gewesen zu sein. Daraufhin wurde ein Betreuer mit ausländerrechtlichem Aufgabenkreis bestellt und diesem der Verwaltungsakt erneut zugestellt. Der Betreuer klagte erfolgreich gegen die Ausreiseaufforderung.

Das Oberverwaltungsgericht bestätigte auf der Basis der vorliegenden Gutachten die Verfahrens-handlungsfähigkeit zum Zeitpunkt der ursprünglichen Zustellung, die auch weiter fortdauere. Die Handlungsfähigkeit im Verwaltungsverfahren ist in den entsprechenden Landesgesetzen, für Sozialleistungsträger jedoch in § 15 SGB X geregelt. An einen Betreuer könne nur wirksam zugestellt werden, wenn die Behörde auch diesem gegenüber einen Bekanntgabewillen gehabt hätte, so das OVG. Durch die unwirksame Bekanntgabe an den Betroffenen könne daher nicht wirksam an den Betreuer zugestellt werden.

Diese verwaltungsgerichtliche Entscheidung hat Bedeutung auch im Sozialverwaltungsverfahrens-recht, soweit es sich um nicht begünstigende Verwaltungsakte wie Zahlungsaufforderungen oder sonstige Gebote handelt. Solche – mangels Zustellung unwirksame – Verwaltungsakte können nicht vollziehbar werden.